Das Regietrio Corinne Eckenstein, Claudia Seigmann, Manfred Weissensteiner hat sich die Mammutaufgabe gestellt, mit Schülern im Oberstufenalter aus drei verschiedenen Städten (Wien, Linz, Graz) ein komplexes Projekt zu verwirklichen, das sich im Schnittbereich aus Geschichten erzählen und Choreographie der Jugend bewegt.
Das zentrale Thema ist der Verlust. Verlust in der Jugend, Verlust von Freundschaften und FreundInnen und der Verlust der konventionellen Sichtweise auf die Städte ihrer Herkunft. Und so wird konsequenterweise mit einem kleinen Rundgang im Museumsquartier begonnen, wo - wie in Reisegruppen - an spannenden Orten Geschichten (diesmal aus Wien, angepasst an den Aufführungsort, sonst Linz, Graz, Horn) erzählt werden, dies direkt aus der Feder und dem Mund der Jugendlichen. Dichtung und Wahrheit verschwimmen und so trifft die eingestürzte Reichsbrücke auf das Leopold Museum, die Republik Kugelmugel auf die Sandkiste im MuQua und die Begegnungszone der Mariahilfer Straße auf die Bank der Küssenden.
Kraft der Geschichten, oder: Wie spiel ich den Verlust?
Nach diesem Rundgang durch die mit großer Freude und Energie erzählten Stadtmärchen mit realem Hintergrund geht es in die Probebühne des Dschungel Wien. Und dort werden alle Register gezogen. Packende Choreographien und Bewegungsmuster, einzelner Jugendlicher genauso wie der gesamten Gruppe, schweißtreibend, energetisch und expressiv saugen das Publikum in die dazwischen eingestreuten Geschichten. Als Bühne dienen Versatzstücke einer Wohnzimmerwand im Spannungsfeld zu eher bedrohlichen verdrahteten Lüftungsschächten. Durch und durch urban. Erinnerungsstücke der vergangenen Jugend füllen bald den setzkastenartigen Verbau. Dazu bauen die Lichtstimmungen und der gehetzte, teilweise verstörende, aber immer stimmige Sound ein Umfeld der Entfremdung. Gegen Ende entsteht ein sehr dunkel-düsterer Zombietanz mit verhüllten Gesichtern, die SchülerInnen dabei immer in großer Kraft und starkem Ausdruck. Und mit einer Präsenz, die manche ProfikollegInnen von hochsubventionierten Bühnen erblassen lassen könnte.
Frisch ankommende Theaterwelt von großer Kraft
So bleiben am Schluss als Ausweg das "Verschwinden nach innen", die Entfremdung zur eigenen Umgebung und die zarten Hoffnungen an die eigene Zukunft. Alles sehr authentisch und in mehreren Sprachebenen vom Dialekt bis zur Bühnensprache glaubwürdig. Das Regieteam hat aus diesen hochambitionierten SchülerInnen ein unglaubliche Handlungsfähigkeit auf der Bühne herausgeholt, und die jungen Menschen, die ihre Geschichten kraftvoll und emotional gezeigt, gespielt, erzählt und getanzt haben, seien hier für ihre tolle Leistung auch nochmals genannt, es spielen (aus Wien, Linz und Graz): Marie Aglas, Max Arrich, Leonie Berner, Anna Gösselbauer, Johanna Haunschmidt, Matthias Hana, Phillip Lugmayr, Ayla Mandoj, Mercedes Mercedes, Elisabeth Scheuer, Marlene Scheuer, Martin Schmidt, Jamil-Demba Sy, Lukas Wenisch, Stefan Wild, Danijel Zivkovic. Toll, was rund um Schule so alles entwickelt und geschaffen werden kann, da entsteht eine frisch ankommende Theaterwelt von großer Kraft! (Text: Tristan Jorde; Fotos: Rainer Berson, Clemens Nestroy)
Kurz-Infos:
StadtRAUSCHEN
Bewertung: @@@@@
Kritik zur Wiener Erstaufführung im Dschungel Wien am 30.9.2013
Regie: Corinne Eckenstein, Claudia Seigmann, Manfred Weissensteiner
Bühne und Kostüm: Leonie Reese
Sound: Johannes Steininger
Licht: Andreas Pamperl
Produktion: Theater Foxfire & TaO! - Theater am Ortweinplatz & theaternyx* & SCHÄXPIR Festival
DarstellerInnen: Oben genannte SchülerInnen aus Wien, Linz und Graz