Als ein Spiel der Identitäten und bitterböse Parabel auf die sogenannten Ausländer- und Genderdiskurse wurde das Theaterstück "Wie Branka sich nach oben putzte" von Richard Schuberth, inszeniert von Asli Kislal, angekündigt. Die Premiere hielt, was versprochen wurde.
Epistemologische und methodische Horizonte eines Translational Turn als aktuelle Tendenz zur Binaritätskritik in den Kulturwissenschaften, in der die Kategorie des Zwischenraums das Übersetzen einer Gegenbewegung zu einem Denken in binären Strukturen und in essenzialisierenden Identitätsvorstellungen (die wiederum auf Wesensbestimmungen beruhen) bestimmt und auf postkoloniale und postmoderne Strömungen zurückzuführen sind, die den Boden für die Neubewertung von Übersetzungsprozessen durch ihr Aufbrechen fester Identitäten aufbereitet, deren Kritik am Binaritätsprinzip zugunsten hybrider Vermischungen, also quasi durch Re-mapping und ihre kritische Umkartierung von Zentrum und Peripherie, internationale Kommunikationsschienen unsichtbar machen und so einen ersten Schritt zu einer Anthropologie des Missverstehens entstehen könnte, um die Problematik in eine bestimmte Richtung weiterzudenken, so bleibt jedenfalls das Problem der Kontrollmacht auch im Dialog bestehen, umso mehr, wenn die historische Sichtbarmachung der Textualität von Geschlecht davor warnt, vorschnell auf die Abbildfunktion der Sprache hereinzufallen, statt darauf zu achten, wie Sprache und Texte in ihrem symbolischen Entwurfspotenzial Wirklichkeit überhaupt erst hervorbringen und ausgestalten. Punkt. So weit, so klar?
Gendergerecht und biologisch abbaubar
Die Cultural Turns und die Frage nach dem Kulturcode standen zwar immer wieder breitbeinig im 3Raum, Richard Schuberth verstand es allerdings, derartige Textkonvolute mit Sprachwitz und absurdem Humor zu unterfüttern, daraus entstand letztlich ein mächtiges, wahnwitzprächtiges Theaterstück über nationale Ideologien, politische Korrektheit, Identitätssuche, dem HC (Strache; vormals Jörg Haider) in uns, über Sauberkeit alias soziale Hygiene, über die Kulturkontakter von CEE (Central and Eastern Europe), über Befindlichkeiten und Empfindlichkeiten, all das möglichst Gendergerecht und biologisch abbaubar.
Ihr Sohn ist 22? Sie sehen maximal wie 36 aus! - Ich bin 36!
Die Bühne im Anatomietheater wurde multifunktional genutzt (passend zum Multikulti Thema), als Handlungsort dient die Wohnung von Magistra Isabella Moser (mit Fortdauer des Stücks fulminant dargestellt von Susanne Rietz), besser gesagt, eine "theoretische Wohnung", wie es die 36-jährige Putzfrau Branka (superb: Agorita Bakali) formulierte. Exzellent übrigens auch die anderen Darsteller, Bernhard Mrak als Guido bzw. Schorsch, Marko Palavra als Rocky (der im letzten Drittel faschierte Mann von Branka) und allen voran Oktay Günes als Benno bzw. Dragan (der 22-jährige Sohn von Branka), der vor allem als Dragan zur Höchstform auflief und szenenweise alle an die Wand spielte. Für die musikalischen Überleitungen sorgte eine spielfreudige Jelena Poprzan, und sogar der Autor des Stücks, Richard Schuberth, tauchte gespensterhaft immer wieder auf, und so wie sich die österreichische Eurovision Sängerin Nadine Beiler die Perücke und das Kleid von Mireille Mathieu ausborgte (es gilt die Unschuldsvermutung), so lieh sich Richard Schuberth alias Captain Clean die Glatze und das Ohrgehänge von Mr. Clean alias Meister Proper aus (es gilt die Reinheitsvermutung). Humor als Rettungsanker vor dem Abgrund, der in die Wirklichkeit unserer Wahnfantasien führt, lautet jedenfalls die Devise dieses schrägen und rasanten Theaterstücks. (Text: Manfred Horak; Fotos: Magdalena Possert)
Kurz-Infos:
Wie Branka sich nach oben putzte
Bewertung: @@@@@
Kritik zur Uraufführung am 16.5.2011 im 3Raum Anatomietheater
Autor: Richard Schuberth
Produktion: daskunst