scheuba-maurer-palfraderDa bin ich jetzt supernackt! Maischbergers Telefonate als Anschauungsobjekt der Vorlesung "Pflichtübung ins österreichische Realverfassungsrecht", Termin II. - ... Lohnt es sich, gesetzestreu zu handeln? Eine schwierige Frage, auch für den Dekan der juristischen Fakultät und pro forma Gastgeber, Professor Heinz Mayer. Nach der Darbietung im Audimax bleibt nur der Wunsch: Hoffentlich.

Aufgrund der großen Nachfrage bei der ersten Lesung des unfreiwillig erstellten Kabarett-Programms (alias Abhörprotokolle der Telefonate Walter Maischbergers) spendierten die Verantwortlichen eine Wiederholung, erweitert um die Zugabe eines offenen Briefes Karl-Heinz Grassers an die Justizministerin und die eines Fanbriefes an den unter Verdacht stehenden ehemaligen Chef der Staatsfinanzen. Diese beiden Dokumente gingen den eigentlichen Protokollen voraus. Wie konditioniert das Publikum auf die Figur Grasser reagiert, zeigte sich im Lachreflex beim puren Erwähnen seines Namens. Als Florian Scheuba beim Verlesen auch noch den Hemdkragen weitete, sich durch die Haare fuhr und die Stimme nach oben modulierte, war kein Halten mehr. Zumindest für die Hörer im Audimax, so schien es, ist Karl-Heinz Grasser eine Witzfigur. Wohl aber eine, die und deren Handeln ernst zu nehmen ist.

Grasser wirklich eine Witzfigur?

protokolle-lesung04protokolle-lesung03Die Kabarettisten Thomas Maurer, Florian Scheuba und Robert Palfrader konnten alle ihre Fähigkeiten als Imitatoren des Tiroler Dialektes beweisen, schlüpften sie denn abwechselnd in die Rolle Walter Maischbergers, der gezwungenermaßen in jedem Dialog vertreten war - seine Telefone wurden abgehört. Eine Dramaturgie war klar zu erkennen, die Protokolle schienen nach Effektreichtum und aufsteigend gereiht. Die Sprecher des Abends, von ihrer Profession her gewöhnt selbst Texte zu verfassen oder zu Improvisieren hielten sich mit Kommentaren weitestgehend zurück. Ein Einmischen wäre auch absolut unnötig gewesen, das vorgetragene Material war mehr als ausreichend. Florian Klenk, stellvertretender Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter und Veranstalter des Abends, dem die Protokolle zugespielt wurden, sprach zwischen den Stücken erklärende Worte und ergänzte nötiges Wissen um die Personen und Sachverhalte des jeweiligen Gesprächs.

Dekan als grandioser Master of Ceremony

Besonders beeindruckend war die einleitende Rede des Verantwortlichen von Universitätsseite, Herrn Professor Mayer, worin er mit meisterlichem Sinn für die Engstführung von Ironie und Ernsthaftigkeit die Notwendigkeit eines juristischen Standes begründete und damit die Brücke von Rechtsvorlesung zum performativen Teil des abendlichen Einblicks schlug. Auch ging er auf die Reaktion Grassers auf die erste Veranstaltung ein, meinte, die Beschuldigten sollten sich nicht darüber beschweren, dass man sich über sie lustig macht, vielmehr sollte es sie beunruhigen, wenn eines Tages niemandem mehr zum Lachen zumute ist. Wohl wahr: Was man da zu hören bekam und noch nirgendwo nachlesen kann, müsste die Leute weinen machen. Mindestens. Die zweite Vorstellung umgab sicher nicht mehr der Nimbus der Uraufführung: Die Stimmung musste eine andere sein, schon alleine deshalb, da Auszüge vom ersten Termin veröffentlicht wurden, aber auch, weil das Guerilla-Moment fehlte. Man konnte sich nicht mehr irgendwie hineinzwängen, die Zuschauerzahl war auf ein sicheres Maß begrenzt. (Text und Fotos: Peter Baumgarten)

protokolle-lesung01protokolle-lesung02Kurz-Infos:
Supernackt: Die Prokolle Lesung
Bewertung: @@@@@@
Mit: Florian Klenk, Thomas Maurer , Prof. Heinz Mayer, Robert Palfrader, Florian Scheuba
Kritik zur Vorlesung am 1. Februar 2011 im Audimax Wien