Gelungene Inszenierung von John Fords "Schade, dass sie eine Hure war" vom Scala- und Stadttheater Mödling-Chef Bruno Max.
In nur 80 Minuten zeigt Bruno Max die inzestuösen Verstrickungen, die John Ford, der als Shakespeare-Epigone gilt, in seiner 1633 (in Europa wütet der 30-jährige Krieg) entstandenen katholizismuskritischen Tragödie auf die Bühne gebracht hat. Ein Text, der bis heute nichts an seiner Brisanz verloren hat. Interessant auch, weil er das bürgerliche Trauerspiel eines Herrn Lessing vorwegnimmt. Beachte man nur die Personenkonstellation dieses Dramas, in dem wie auch im Trauerspiel nur selten eine Mutter auftaucht, vielmehr steht die Relation zwischen Vater und Tochter im Mittelpunkt der Handlung. Insofern ist Ford nicht nur ein Nachzügler Shakespeares, sondern auch gleichzeitig ein Vorläufer. Verdienstvoll ist es also allemal das Stück von Ford zu realisieren, da es neben dem übermächtigen Shakespeare noch viele wertvolle Autoren aus dem England des 17. Jahrhunderts zu entdecken gibt. Erwähnt sei nur Aphra Behn, die als eine der ersten hauptberuflichen Schriftstellerinnen überhaupt gilt. Fords "Hure" überzeugt vor allem durch ihren Witz und Überraschungen in der Handlungsführung. Denn wo hat man schon gesehen, dass die Dienerin, nachdem sie das Geschwisterpaar beim Beischlaf überrascht hat, eher amüsiert und beruhigend reagiert anstatt eine Moralpredigt vom Stapel zu lassen? Sprachlich überzeugt die schlanke und elegante Übersetzung von Fiona Harrington-Smythe und Bruno Max.
Beileibe kein alter Schinken
Kurz zum Inhalt: Der reiche Florio will seine Tochter Annabella verheiraten. Diese soll jedoch aus Liebe den Bund der Ehe eingehen. Nun liebt sie allerdings ihren Bruder Giovanni und die gemeinsame Liebesnacht bleibt nicht ohne Folgen. Trotz aller Warnungen des Priesters Bonaventura bleiben die beiden ein Paar, und um die Schwangerschaft zu verheimlichen, erwählt Annabella Soranzo als Bräutigam. Als dieser hinter das Geheimnis kommt, muss sein Diener Vasques die Dinge ins Lot bringen. Blutig geht es weiter: Vasques vergiftet die Witwe Hippolita, die Soranzo das Leben schwer macht, da sie ihm nicht verzeihen kann, dass er sie verlassen hat. Das nächste Opfer wird die Dienerin Putana (!), die die Geschwisterliebe verrät. An der Geburtstagstafel Soranzos kommt es zum Showdown. Gereicht wird nicht Schinken (obwohl man sich in Parma befindet), sondern Giovanni kredenzt Annabellas Herz. Aus Eifersucht und wegen der Schuld, die beide auf sich geladen haben, hat er seine geliebte Schwester erdolcht. Nur Vasques und der Kardinal überleben diese Party. Sein Urteil: natürlich ist die "Hure" schuld. Bruno Max verlegt die Handlung ins frühe zwanzigste Jahrhundert (stimmige Kostüme von Alexandra Fitzinger) in eine Art Säulenhalle mit bunten Fenstern im Hintergrund, die ganz passend Darstellungen von Adam und Evas Sündenfall darstellen. Durch zwei Stufen ist der Raum quasi auf drei Spielebenen unterteilt, die Max durch geschickte Lichtregie für die raschen Ortswechsel benutzen kann. Das Tempo der Inszenierung ist dadurch filmisch hoch und obwohl die Szenen kurz und sehr emotional sind, verfällt das Schauspielensemble nicht in falsches Pathos.
Erfreuliche Leichtigkeit ohne Tragödienton
Entdeckungen des Abends sind das Geschwisterpaar: Sophie Prusa und Florian Graf. Beide stellen sich gekonnt der emotionalen Herausforderung ohne zu überzeichnen. Zwiespältig und präzise legt Alexander Rossi seinen Soranzo an. Georg Kusztrich überzeugt als sein treuer Diener, der vor Gewalttaten nicht zurück schreckt. Ingeborg Schwab legt ihre Putana völlig unbeschwert an. Sebastian Brummer gibt den Priester Bonaventura mit großer Teilnahme und Brüchigkeit. Für komische Effekte sorgen Bernie Feit und Christoph Prückner als trotteliger Brautwerber Bergetto und sein Onkel Donado. Hermann J. Kogler beweist sich als Grimaldi als erfrischend feiger Offizier und Genleman. Jörg Stelling gibt den Vater des Geschwisterpaares mit erfreulicher Leichtigkeit ohne Tragödienton, während Christina Saginth souverän die gekränkte und erotische Witwe Hippolita verkörpert. Zum Schluss, auch weil er dieselbigen Worte spricht, brilliert Karl M. Kinsky als zombiehafter Kardinal. Somit gibt es in Bruno Max Inszenierung von John Fords "Schade, dass sie eine Hure war" jede Menge zu entdecken. Prädikat: sehenswert. (Text: Marius Schiener; Fotos: Bettina Frenzel)
Kurz-Infos:
Schade, dass sie eine Hure war
Tragödie von John Ford (1586-1640)
Bewertung: @@@@
Theater zum Fürchten im Stadttheater Mödling
Inszenierung: Bruno Max
Kostüme: A lexandra Fitzinger
Musik: Fritz Rainer
Maske: Margit Sanders
Mit: Sophie Prusa, Florian Graf, Alexander Rossi, Sebastian Brummer, Bernie Feit, Karl Maria Kinsky, Hermann J. Kogler, Georg Kusztrich, Christoph Prückner, Christina Saginth, Inge Schwab, Jörg Stelling