medea-klassenzimmerKlassenzimmertheater spielt im Klassenzimmer. Eigentlich logisch. Eigentlich befremdend. Eigentlich unglaublich beeindruckend. Die Schülerinnen und Schüler sitzen im Klassenraum auf ihren gewohnten Plätzen. Da kommen zwei Neue in die Klasse, Polyxenos (Kilian Klapper) und Eriopis (Maria Nöbauer), Geschwister, Ausländer. Sie sollen sich vorstellen, mit allem drum und dran.

Sich vorstellen, das ist gar nicht so leicht. Was sagt man denn, wenn man sich jemandem vorstellt? Soll man sich zeigen wie man wirklich ist? Oder wie man mal war? Oder wie man gern sein möchte? Und schon befindet sich der Zuschauer auf der Schulbank mitten im Geschehen. Eriopis hat keinen Bock auf diese ganze unnötige Vorstellerei. Sie sind ja sowieso nur die Ausländer, in zwei Jahren auf sieben Schulen gewesen, dreimal durch den ganzen Kontinent geschleift, nirgends zu Hause gefühlt, und die Eltern "tausend Kilometer weit weg, obwohl sie eigentlich ganz nah wären." Polyxenos würde sich schon gern vorstellen, aber er spricht nicht gern vor so vielen Leuten, und außerdem weiß er ohnehin, dass er hier beim Kicken auch wieder nicht mitspielen dürfen wird. Die Geschichte geht zurück auf das Goldene Vlies, auf die Argonauten Jason und Medea - allerdings nur im allerschnellsten Zeitraffer. Im Fokus stehen deren Kinder Polyxenos und Eriopis, weil, "hey, was interessiert die da unsere Alten, die interessieren sich ja nicht mal für ihre eigenen." Die Herangehensweise ist also ganz und gar nicht klassisch. Medeas Kinder sind Scheidungswaisen mit Migrationshintergrund ("ob Background oder Scheißausländer, das ist eigentlich eh das selbe"), der Vater ist ein Held, war aber nie zu Hause und hat schließlich seine Frau gegen eine jüngere ausgetauscht. Die Mutter kann sich gegen den Vater nicht wehren. Früher war sie eine Zauberin, jetzt ist sie nur noch schwach. Medeas Kinder waren einmal Königskinder, heute sind sie Bettler, "einmal waren wir Herrscher, heute werden wir beherrscht." Das alles wäre ja irgendwie noch zu überleben, wenn man eine ordentliche Schwester hätte, findet Polyxenos. Doch die Geschwister sind unterschiedlicher wie sie nicht sein können. Polyxenos ist ein uncooler Softie, dessen Witze nicht ankommen und der von seiner Schwester mal auch eine Tracht Prügel bekommt. Eriopis versteckt sich hinter ihrer großen Sonnenbrille und coolen Sprüchen. Irgendwie finden sie doch noch zueinander, und dann wird es kurz kitschig im Klassenzimmer. "Theater im Klassenzimmer" ist reines Sprechtheater, das ohne Musik und ohne spezielles Bühnenbild auskommt. Als Kulisse dient das Klassenzimmer. Die Requisiten sind alles, was die beiden Darsteller am Leib haben: ein Kapperl im Style der 1980er Jahre, ein rotes Hemd (total out), zerrissene Jeans. Der Text von Holger Schober ist teilweise sehr deutschlandbezogen, funktioniert aber gut. Die Inszenierung von Dana Csapo ist sehr laut und teilweise sehr emotional. Das Stück ist durchwegs interaktiv, vor allem Maria Nöbauer geht als polternde Eriopis sehr oft auf die Zwischenrufe und Reaktionen aus dem Publikum ein. Und wenn es dann zur Pause läutet, will ausnahmsweise niemand aufstehen. (Text: Anne Aschenbrenner; Fotos: Sabine Maringer)

medea-klassenzimmer2Kurz-Infos:
Meine Mutter Medea
Altersempfehlung: 14+
Bewertung: @@@@
Wiener Klassenzimmertheater
Stück: Holger Schober
Inszenierung
: Dana Csapo
Eriopis: Maria Lohn
Polyxenos: Kilian Klapper
Theaterpädagogik: Sabine Maringer
Vorstellungsdauer: ca. 50 Minuten