dipus-spielraumMan hat sich viel vorgenommen im Theater Spielraum, wagt sich doch das Regieduo Nicole Metzger und Peter Pausz an die etwa 2400 Jahre alte Tragödie "König Ödipus" von Sophokles. Und noch dazu hat man ältere Übersetzungen herangezogen, jedoch einiges gekürzt und viele Chorpassagen entfernt. Wichtig war dabei eine möglichst enge sprachliche Nähe zum griechischen Original.

Konsequent im Konzept

Die gesamte Regiearbeit ist bis ins letzte Detail durchdacht. So verfolgt das Publikum das Spiel von vier Seiten, ein abgeklebtes Quadrat verdeutlicht den Hof von Theben, alle Gefahr die droht, kommt außerhalb der Markierungen. Als einzig notwendiges Versatzstück reicht eine Schaukel aus, die verschiedene Spielfunktionen übernimmt. Die Kostüme (superated costume design in Zusammenarbeit mit Pebelle) geben dem Abend einen zeitlosen Look, stellen Funktionalität über Mode. Auch im Sinne der Antike ist die Praxis, dass Schauspieler in verschiedene Rollen schlüpfen. Zur Verwandlung reichen maskenähnliche Gegenstände wie Mütze oder Atemmasken aus. Nur Ödipus und Iokaste werden von denselben Akteuren dargestellt, wobei Iokaste stets Teil der Szenen bleibt und somit an tragender Bedeutung gewinnt.

Detektiv Ödipus und Orakel im Mittelpunkt

dipus-spielraum1Metzger und Pausz interessiert in ihrer Inszenierung unter anderem der Mechanismus des Rätsels. Ödipus wird ja im Stück als besonders scharfsinnig gezeichnet. Immerhin löst er das Rätsel der Sphinx [Welches Wesen  geht bald vier-, dann zwei- und letztlich dreifüßig? Der Mensch; Anm.]. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, als er sich auf die Suche nach dem Mörder des Laios, dessen Witwe Iokaste er zur Frau genommen hat, begeben muss, um eine Seuche von Theben abzuwenden. Das Orakel, das an diesem Abend, in Form des Sehers, ganz im antiken Sinn zweigeschlechtlich gezeichnet ist, hat ihm diesen Rat gegeben, den Ödipus befolgt. Die Warnung des Orakels zuvor, dass er seiner Heimat fern bleiben sollte, weil er sonst seine Mutter heiraten würde und seinen Vater töten, konnte er ja wissentlich nicht befolgen, da er ja von seinen leibhaftigen Eltern, die eben aus Theben stammen, keine Kenntnis hatte. Er wird also Opfer ohne seinem Schicksal entgehen zu können. Als die Blutschande auffliegt, erhängt sich Iokaste und Ödipus sticht sich die Augen aus.

Spannendes Ensemble

Sprachlich exakt und durchdacht agiert das Schauspiel-Ensemble, von dem niemand Gefahr läuft, pathetisch zu werden. Auffallend ist auch das hohe Maß an Spannung, das die Schauspieler erzeugen; indem sie bei einander bleiben, gibt es auch keine Abgänge. Man hat beinahe das Gefühl, dass sie einander belauern. Diese Konzentration auf einander überträgt sich auf das Publikum und erzeugt Suspense im besten Sinne. Markus Schöttl gibt den Ödipus sprachlich schlicht und ohne Pathos, überzeugt auf allen Ebenen mit seinem facettenreichen Spiel. Dana Proetsch als Iokaste besticht mit ungeheurer Präsenz und nuancierter Charakterzeichnung. Matthias Messner variiert bravourös die drei verschiedenen Figuren, die er verkörpert, allein durch minimale sprachliche und körperliche Veränderungen. Und Karoline Gans, die ebenfalls in drei verschiedenen Rollen zu sehen ist, überzeugt vollends auch durch ihren akrobatisch-artistischen Körpereinsatz. Die Inszenierung von Nicole Metzger und Peter Pausz weist somit auf großartige Weise den "König Ödipus" des Sophokles als zeitlosen Mythos auf. Zeitlos auch, weil er unseren Träumen gleicht, die ja symbolhaft sind. Zu sehen im Theater Spielraum bis  31. Oktober 2010. (Text: Marius Schiener; Fotos: Barbara Pálffy)