Realistischer Darstellungswillen mit minutiösen Schilderungen des Alltags der Familie Pinneberg zeichnet den Roman von Hans Fallada aus. Ein Stück Literaturgeschichte und zugleich ein Psychogramm, das nun wieder einmal auf die Theaterbühne gebracht wird.
Vermutlich ist es kein allzu großer Zufall, dass Falladas Stück im Theater Spielraum einen ganzen Monat lang auf dem Programm steht. Gerhard Werdeker, er ist für Dramatisierung und Inszenierung des Stücks verantwortlich, sprach nämlich nach der Premiere davon, dass er nicht wüsste, wie und vor allem ob es weitergeht in den Räumlichkeiten des ehemaligen Erika-Kinos. Da kann man nur sagen: Fallada, schau oba! Man kann sich aber auch weiterhin fragen, warum die Wiener Theaterreform nicht Wiener Theatersperren heißt [bei der Pressekonferenz vom Schauspielhaus Wien hörte man ähnliches Wehklagen, ebenso - allerdings im allgemeinen Kulturförderungskontext - interessanterweise beim Konzerthaus Wien; Anm.]. Immerhin: Wir schreiben das Jahr Wirtschaftskrise, das Jahr der Schrottautos-Förderung. Theater Spielraum - was nun? Hans Fallada passt bei so einem unschönen Zustand immer. Er veröffentlichte im Jahr 1932 mit "Kleiner Mann - was nun?" einen offenbar niemals unaktuell werdenden Roman rund um die brisanten Themen Verkaufsquoten-Systeme, Intrigen unter Kollegen (Mobbing nennt man das ja mittlerweile), Arbeitslosigkeit, Armut. Fallada lässt seinen Kleinen-Mann-Helden aber auch stets auf Verbesserung seiner sozialen Lage hoffen und vor allem auf moralische Besserung der Mächtigen. Eine Illusion freilich, und so bleibt einzig die private Idylle, das Familienglück und das Bewusstsein der eigenen Integrität quasi der letzte Zufluchtsort.
Armut heißt Verdacht
Johannes Pinneberg (gute Performance mit einigen Schwächen von Abraham Thill), zu Beginn des Stücks noch Buchhalter, heiratet seine Freundin Emma "Lämmchen" Mörschel (Sandra Knoll. Verzückt. Entzückend.), die ein Kind von ihm erwartet. Trotz äußerster Sparsamkeit reicht der Verdienst nicht aus und als er als Verkäufer in ein Warenhaus wechselt fällt er in ein Verkaufsquoten-System, bei dem er ein Vielfaches seines Monatsgehalts umsetzen muss, um weiterhin Angestellter zu bleiben. Der freie Fall in die Langzeitarbeitslosigkeit bleibt ihm in Folge nicht erspart. Die fünf Schauspieler - drei davon (der Stimm- und Mimikgewaltige Tristan Jorde, die komödiantisches Talent zeigenden Nicole Metzger und Klaus Uhlich) schlüpfen in mehrere Rollen und Charaktere - verleihen dem Fallada-Klassiker eine große Identität und schaffen es scheinbar mühelos die Spannungsbögen aufrechtzuerhalten. Sehr gut gelöst wurde dabei auch die Bühnensituation. Einerseits wurde das sehr sparsame Bühnenbild einige Male für unterschiedlichste Szenenbilder umgebaut (Kreativität, ick hör dir trapsen!), andererseits blieben die fünf Darsteller immer auf der Bühne, oft selbst nur als Beobachter, was dem Stück eine eigene Dynamik verlieh. Ein berührender, gesellschaftskritischer, Theaterabend mit feinem Schauspiel. Ein zeitloses Stück, zeitlos umgesetzt. (Text: Manfred Horak; Fotos: fotopalffy)
Kurz-Infos:
Kleiner Mann - was nun?
von Hans Fallada
Bewertung: @@@@1/2
Theater Spielraum
Kaiserstraße 46, 1070 Wien
Mit: Sandra Knoll, Abraham Thill, Tristan Jorde, Nicole Metzger, Klaus Uhlich
Dramatisierung und Inszenierung: Gerhard Werdeker
Bühne: Harald Ruppert
Kostüme: Anna-Miriam Jussel
Die Premiere fand am 20. Oktober 2009 statt.