Die Auseinandersetzung mit der politischen Situation im Libanon steht bei allen Arbeiten des Performance-Künstlers Rabih Mroué im Vordergrund.
In "Looking for a missing employee", das im Rahmen der Wiener Festwochen wieder gezeigt wird, dokumentiert er die Verdächtigungen, Skandale und Enthüllungen anlässlich des Verschwindens eines Angestellten im libanesischen Finanzministerium. Der Angestellte ist weg, Geld auch - was liegt näher als der Verdacht, dass die beiden einen gemeinsamen Weg genommen haben? Rabih Mroué sammelt seit Jahren Zeitungsschnipsel, die nur für ihn eine Bedeutung haben. Von Zeit zu Zeit nimmt er Material heraus und macht daraus ein Stück, so wie z.B. "Looking for a missing employee", das bereits 2003 Premiere hatte.
Spiel von Wahrheit und Wahrnehmung
Rabih Mroué spricht englisch, damit wir keine Übertitel brauchen und einander in die Augen sehen können. Hier beginnt das Spiel von Wahrheit und Wahrnehmung. Rabih Mroué lächelt von einem Screen, der hinter einem Schreibtisch einer sonst leeren Bühne steht. Er selbst sitzt im Publikum. Sein Bild wird von einer Standkamera abgenommen. Über der Bühne hängen zwei weitere Screens. Auf dem einen sieht man Rabih Mroué durch die in Schulheften chronologisch gesammelten Zeitungsausschnitte blättern, auf dem anderen notiert Hatem Imam übersichtlich alle Eckdaten und Entwicklungen der Geschichte.
Es gibt immer schwarze Löcher durch die Leute verschwinden
Egal wie groß Kontrolle und Überwachung sind, es gibt immer schwarze Löcher durch die Leute verschwinden. Selbst in einem kleinen Land, wo doch jeder jeden kennt, wie im Libanon. Zu diesen Leuten erscheint dann eine Vermisstenmeldung mit einem kleinen Foto in der Zeitung. Als am 25. 9. 1996 Raafat Suleiman, Angestellter im Finanzministerium, verschwand, erschien eine Meldung ohne Foto. Dafür mit einem Appell seiner Ehefrau an die Regierung, das Schicksal ihres Mannes zu enthüllen. Egal wer ihn aus welchen Gründen auch immer festhält, es sei ihr Recht zu erfahren, wo er ist. Einen Tag später wird festgestellt, dass eine nicht unbeträchtliche Summe Geldes verschwunden ist. Zunächst ist von 3,5 Milliarden Libanon Pfund die Rede (1.66 Mio. Euro), bald von 15 Milliarden (7,14 Mio. Euro). Diese Zahl schwankt im Laufe der nächsten Woche bis zum Höchstwert von 42 Milliarden Libanon Pfund (knapp 20 Mio. Euro).
Korruption und Wahlkampffinanzierung
Der Angestellte ist weg, Geld auch - was liegt näher als der Verdacht, dass die beiden einen gemeinsamen Weg genommen haben? Doch wohin? Vielleicht nach Syrien? Tags darauf die offizielle Meldung: in Syrien ist Rafaat Suleiman nicht aufhältig. Die Suche geht weiter. Mangels anderer Verdächtiger wird die Ehefrau nicht nur verhört, sondern auch festgenommen. Verschwundenes Geld im Finanzministerium ist auch gut für den einen oder anderen politischen Skandal. Schon bald sind zahlreiche Ministerien in einen Streit verwickelt und auch von Korruption und Wahlkampffinanzierung ist die Rede.
Wem soll man also glauben?
Wer ist Raafat Suleiman? Der zunächst gesichtslose Vermisste bekommt langsam ein Profil. Es erscheint doch ein Foto. Wobei man immer auf die Originalausschnitte achten sollte. Vertrauenswürdiger ist die Zeitung mit dem schärferen Bild, Fotokopien sind sowieso das Letzte. Darauf ist das Bild seitenverkehrt. Der Vergleich macht sie sicher. Und so vergleicht Rabih Mroué auf unterhaltsame Weise immer wieder die Berichte dreier Zeitungen. Als ein Verdächtiger erschossen wird, melden die Zeitungen unterschiedliche Einschusslöcher. Wem soll man also glauben? Am besten den Premierminister fragen, denn der sagt im Libanon immer die Wahrheit. Es dauert mehr als zwei Monate bis die Wahrheit oder zumindest das verschwundene Geld, ein Geständnis und die Überreste von Raafat Suleiman gefunden werden. Den Weg dorthin verkürzt Rabih Mroué mit Seitenhieben auf Politik und Gesellschaft. Eine weitere interessante Annäherung an eine "Biographie", das zentrale Thema im diesjährigen forum festwochen. (Text: Christine Koblitz; Fotos: Houssam Mchaiemch)
Kurz-Infos:
Looking for a missing employee
Bewertung: @@@@
Spielort: Brut Künstlerhaus im Rahmen der Wiener Festwochen
INSZENIERUNG / Rabih Mroué
BÜHNE / Feyrouz Serhal
MIT Rabih Mroué, Hatem Imam