Es war ein reichlich kurioser Abend, der da im Rahmen vom ImpulsTanz Festival am 13. Juli 2007 im Kasino am Schwarzenbergplatz über die Tanzbretter abging. Es war ein Abend der Widerparts, der Gegenströmungen und der sinnentleerten Bewegungen. Ein Abend mit Loïc Touzé-Claude Delangles Elucidation, sowie Julie Nioches La Sisyphe. Ein Abend zum Schmunzeln und ein Abend zum Gähnen.
Elastik wider Unbeweglichkeit
Vollkommen losgelöst von jeglichen Rhythmusempfindungen stößt der französische Saxofonist Claude Delangle neue Töne aus seinem Holzblasinstrument. Zart bis flirrend, eruptiv bis hörbar kontrolliert, bis hin zur Schwebeneigung und Abgehobenheit. Im Zentrum steht der einzelne Ton, mutig lang gezogen und weitestgehend befreit von Melodien. Nicht weit entfernt platzierte sich der Tänzer Loïc Touzé auf, obwohl: anfänglich wirkte er eigentlich mehr deplatziert bei den oft unbeweglichen Saxofontönen. Recht bald lösten sich seine filigranen Bewegungen und seine pantomimisch anmutenden Aktionen in der Musik bestens auf, auch wenn es meistens weiterhin den Anschein hatte, dass die beiden eher nebeneinander agierten, was mutmaßlich darauf zurück zu führen ist, dass Touzé die Saxofonklänge nicht kommentieren will, sondern sich dagegen auflehnen möchte. Dagegen stemmen. Es kam dabei zu amüsanten Bewegungsabläufen, vor allem beim zweiten Stück, bei dem Touzé im schmucken rosa Anzug antanzte und dem Programmtitel Elucidation (Erhellung) zumindest ziemlich nahe kam. Kaum hörbar seine Bewegungen verschmolz er im Laufe des Musikstücks mehr und mehr zur elastischen Demonstration.
Turnübungen mit Julie
Ganz anders der zweite Teil des ImpulsTanz-Abends im Kasino. Die junge Tänzerin Julie Nioche, bekannt für ihre Radikalisierungen im Ausdruck, führte ihr Programm La Sisyphe in Form eines plakativ-banalen Protests auf. Zu sehen gab es einen sich permanent im Kreis bewegenden Dia-Apparat, der getötete Tiere und idealisierte Naturaufnahmen zeigte und eine Julie Nioche, die zunächst einmal minutenlang Seilspringen ausübte, was mich gedanklich zurück in die 1980er Jahre brachte, als die damals ubiquitären Aerobic-Videos aufkamen. Die Sinnlosigkeit der Bewegung – bzw. nutzlose wie endlose Bewegungen stehen in "La Sisyphe" im Mittelpunkt. Zu Gehör gebracht wurde This is the End, zunächst in der Version von Nico, danach in der Live-Version von The Doors. Ja, Krieg ist freilich sinnlos. Immer. Und es ist natürlich auch eine Sisyphos-Arbeit, sich für Frieden zu engagieren. Es stellt sich aber auch die Sinnfrage jemanden, sich den rein verschwenderischen und endlosen Bewegungen hingebend, zuzusehen. Doppelt schade, weil große Musik dazu gespielt wurde. Ein ähnliches Thema ähnlich umgesetzt hat übrigens David Byrne im Konzertfilm Stop Making Sense von Talking Heads (Regie: Jonathan Demme; 1984) während der Performance vom Lied Life During Wartime. Julie Nioche machte im Vergleich dazu Karaoke. (Text: Manfred Horak; Fotos: Juliby S. Camus, Arnaud Degardin, Dieter Hartwig, Laurent Lafolie)
Link-Tipp:
ImpulsTanz 2007