mit den Schlagworten:

pinocchio-cosimaEine bunte Sammlung spezieller und bisweilen Spartenübergreifender Kulturtipps aus Wien und Niederösterreich mit Schwerpunkt Theater, Museum und Kultur für junges Publikum. Von Anne Aschenbrenner.

Ich bin aus Wien, ich bin hier geboren, ich lebe hier: mich zu fragen, welches mein Kulttipp ist, ist wie die Frage an eine Mutter, einen Vater, welches Kind sein liebstes ist. Ich liebe die Stadt, in der ich groß geworden bin, auch wenn ich mir manchmal wünschte, ich wäre Cosimas Pinocchio, der auf einem improvisierten Balkon auf dem Wiener MUMOK hängt und auf die Stadt herunter speibt. Ich bin Wien verfallen, und mit jedem Freund, jeder klettenheimersFreundin, die Nicht-WienerIn ist, und dem, der ich meine Welt zeige, wächst meine Freude an dieser Stadt an den kleinen Dingen, die man auch nach 33 Jahren noch entdecken kann.

Die Klettenheimers

Ursprünglich wollte ich ein einzelnes Theater herausnehmen, nämlich die Klettenheimers aus der Lederergasse. Jene Klettenheimers, die jahrelang ohne (!) Subventionen Theater auf hohem Niveau gemacht haben: die vom Telefondienst, über Ticketverkauf, bis zur Stückentwicklung, zur Regie, zum Spiel, zum Bier-Ausschenken in der Pause alles zu zweit (!) bewältigt haben. Alles war schon geschrieben - als ich wegen eines Pressefotos auf die Website der Klettenheimers gegangen bin und voll Entsetzen bemerkt habe, dass sie das Land verlassen haben, zu Studienzwecken, und im Jänner 2015 bekannt geben werden "wie es weiter geht".

Prekariat in der Kulturstadt Wien

Und das, genau das ist der Grund, warum ich mich manchmal fühle wie Cosima von hypotopia_by_aschBonins Pinocchio. Weil Kunst und Kultur, von der meiner Stadt so reichhaltig ist, am Ende so wenig zählt. Weil in der Stadt der Musik, die Straßenmusiker unendlich bürokratische Anträge stellen müssen. Weil kleine Theater auf Studienreise gehen und im "Jänner erklären werden wie es weiter geht". Weil Kunst und Kultur kaputt gespart wird. Während für die Rettung der Hypo Milliarden ausgegeben werden. Weil die freie Szene ausgebeutet wird, auch, und grad von denen, die genau dieses Vorgehen, diese Ausbeuterei, das Prekariat in der Kulturstadt Wien am meisten anprangern. Und das bedingt auch schon meinen ersten "Tipp im Tipp": am Karlsplatz in Wien hatten Studierende im Rahmen eines Uniprojekts eine Stadt erbaut, Hypotopia. Eine Stadt, deren Erbauung, unter Berücksichtigung aller Kriterien für ein nachhaltiges Leben, exakt genauso viel kosten würde, wie vom Staat für die Rettung der Banken ausgegeben wurde. Das beeindruckende Werk war leider nur bis Ende Oktober 2014 zu sehen.

Die Museen

karikaturmuseum_peichl_vbkMein zweiter Tipp, die Museen, das sind das MAK, das MUMOK und, eine Bahnstunde von Wien entfernt, die Kunsthalle Krems und das einzigartige Karikaturmuseum. Tage könnte ich hier verbringen. Zuletzt gesehen habe ich die Ausstellung Gregor Schmoll in der Kunsthalle Krems - der Rainald Grebe der Bildenden Kunst. Vielschichtig und genial präsentiert der Künstler seine Schwarz-Weiß-Fotografien, eine aufregender als die andere. Besonders spannend: Schmoll hat Bruegels Turmbau zu Babel (und zwar beide Versionen) aus Klopapierrollen nachgebaut und analog abfotografiert. Das beeindruckende Ergebnis ist in Krems zu sehen.

MIMAMUSCH

Mein dritter Tipp im Tipp ist das Kurztheaterfestival MIMAMUSCH im Ragnarhof: einerseits weil man gar nicht oft genug sagen kann wie wichtig es ist die freie Szene zu unterstützen und andererseits weil der Ragnarhof wirklich eine wunderbare Location ist, vor allem aber wegen dem ungewöhnlichen Festival selbst. Jedes Jahr gibt es ein vorgegebenes Thema, zu dem kleine feine Theatergruppen ihre Produktion zeigen. Bisher lag der Reiz des Festivals darin, dass sich im großen Saal mit Bar, DJ und Party, die SchauspielerInnen unter die Menge gemischt haben und versucht potentielle Zuschauerinnen einzuladen, zu überreden sich genau IHR Stück das-ist-ein-buchanzuschauen. Spannend: am Ende konnte man nie ganz genau sicher sein wer einen da anquatscht - ein bisserl Arthur Schnitzlers "Traumnovelle Reloaded", sozusagen. Bespielt wird jedenfalls der ganze Ragnarhof, bezahlt wird einmal Eintritt, die einzelnen Gruppen gehen nach Vorstellung auch mit dem Hut durch, dieses Geld bleibt den Gruppen selbst.

Kultur für junges Publikum

Der Bereich Kultur für junges Publikum soll in dem Kulttipp nicht außer Acht gelassen werden: das Lilarum ist natürlich allen voran zu empfehlen (bitte befreundet euch auf Facebook mit dem Kleinen Vogel Tikidu, so lieb, obwohl er gerade wenig postet) , und trotz verschiedener Unstimmigkeiten auch Dschungel Wien, das generell qualitativ hochwertige Produktionen zeigt. Wer ein Buch für junge LeserInnen braucht ist hingegen in der Buchhandlung Kunterbuch gut aufgehoben. Das ZOOM Kindermuseum schätze ich auch sehr, allerdings ist es sinnlos dort hinzu gehen: Tickets muss man mitunter Monate (!) im Voraus bestellen, da ist es mit jungen Museumsbesuchern gescheiter man geht ins Naturhistorische Museum oder ins kinderfilmfestival-2014_der-indianerTechnische Museum, wo man auch sehr viel Altersgerechtes erleben kann. Speziell in Wien, aber auch in Graz, findet jeden Herbst das Kinderfilmfestival statt, (2014 ab 15. November), das ich sehr schätze und auch Erwachsenen sehr ans Herz legen will. Auf welchen der durchwegs hochwertigen Filme ich mich am meisten freue, kann ich gar nicht sagen - vermutlich "Indianer" von Ineke Houtman, die ich schon vor einigen Jahren beim Festival einmal interviewt habe.

Wien besuchen ohne Wienbesuch

Wollt ihr aber Wien besuchen, ohne Wien besuchen zu können, lest Erich Fried, H.C. Artmann und Christine Nöstlinger. Oder schaut ein bisserl Qualtinger - vielleicht den leider vergriffenen Film "Himbeerpflücker" nach dem Buch von Fritz Hochwälder. Mitunter geht es euch dann genauso wie dem Pinocchio auf dem improvisierten Balkon des MUMOK. Und weil so viele WienbesucherInnen auf den Naschmarkt reinfallen, der leider längst nicht mehr ist, wofür man ihn immer gehalten hat, und was er vermutlich auch nie gewesen ist: fahrt auch nicht auf den übergehypten Yppenmarkt, oder den Bobo-Karmelitermarkt: fahrt mit der U1 zur Endstation Reumannplatz, am besten an einem Samstagvormittag und schaut euch den Viktor-Adler-Markt an. Dann werdet ihr verstehen, warum Wien mein Kult(ur)tipp sein muss. (Text: Anne Aschenbrenner; Fotos: asch; Internationales Kinderfilmfestival; Gustav Peichl / VBK; PR; Lane Smith)