Nein, dieses Bild zeigt nicht Kunsthalle Wien-Direktor Gerald Matt am Weg zur Arbeit, sondern das Gemälde "Night Shadows" aus dem Jahr 1921 von Edward Hopper. Raum und Zeit, Licht und Schatten - deren Darstellung und Manipulation waren u. a. ein zentraler Aspekt in den Werken von Hopper. Werke, die nun in der Ausstellung "Western Motel" erstmals in Österreich zu sehen sind.

Der Mensch ist, wozu er sich macht

Frei von Fadesse ist die Edward Hopper Ausstellung in der Kunsthalle Wien jedoch nicht – wenn man nämlich schon Bedeutungslosigkeiten der Alltagskultur wie Geschäftslokale, Büroräume und Hotels zeigt, die nun mal bei Hopper das Zentralgestirn seiner Kunst war, dann sollte auch konsequent die Ausstellungsfläche demgemäß gestaltet werden – ein paar Filmausschnitte sind eindeutig zu wenig. Aber der Mensch ist offenbar dem alltäglichen Dasein verfallen und denkt scheinbar streng isoliert. Isolation übrigens, die freilich zur Genüge in Hoppers Werken auftauchen, frei nach Heidegger, der meinte, dass "die eigentliche Existenz nur in der Vereinzelung möglich ist". Weitere Stichwörter und Begriffe, die, wenn es um Edward Hopper geht, immer wieder vorkommen: Realismus, Neue Sachlichkeit und American Scene. So malte Hopper in einem subtilen, zur Stilisierung neigenden Realismus Ansichten typischer amerikanischer Landschaften und Städte sowie Interieurs, wie z.B. in dem bekannten Bild "Nighthawks" oft versehen mit Menschen in Situationen der Einsamkeit und Entfremdung. Wobei: Die Bezeichnung Realismus ist einer der bis heute am meisten strapazierten Begriffe der Kunstkritik. In den 1940er und 1950er Jahren, als die ungegenständliche Malerei in Europa und den USA die Kunstszene beherrschte, bezeichnete man nämlich alles, was jenseits der Abstraktion entstand und auch nur annähernd mit Figuration und Erzählerischem zu tun hatte, als Realismus. Die viel zitierte Alltagskultur bei Hopper mit seinen erschöpften, entmutigten oder einfach desillusionierten Existenzen passten in Folge sehr gut zu den philosophischen An- und Grundsätzen von Jean Paul Sartre, wenn er schrieb, die Dinge sind schlicht, was sie sind. Der Mensch dagegen ist nie bloß das, als was er sich gegeben ist, sondern er entwirft sich als das, was er noch nicht ist. Oder, wie es im ersten Grundsatz des Existentialismus lautet: "Der Mensch ist, wozu er sich macht." Eine fatale Freiheit, wenn man sich die Bilder von Edward Hopper ansieht. //

Western Motel. Edward Hopper und die zeitgenössische Kunst.
Kunsthalle Wien Halle 1
Bis 15. Februar 2009

Aufzeichnung, Text und Podcast-Produktion: Manfred Horak
Fotocredits: Edward Hopper, Office at Night, 1940, Collection Walker Art Center, Minneapolis, Gift of the T. B. Walker Foundation, Gilbert M. Walker Fund, 1948;
Edward Hopper, Night Shadows, 1921, Print Collection, Miriam and Ira D. Wallach Division of Art, Prints and Photographs, The New York Public Library; Edward Hopper, Self-Portrait, 1925-30, Whitney Museum of American Art, New York