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Musik: @@@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Koch Universal (2006)

Zehn neue Lieder legt Franz Josef Degenhardt mit dem Album „Dämmerung“ vor. Man kann es ruhig ein großes, würdiges Alterswerk nennen, denn der Sänger mit der leicht erkennbaren Stimme, der im Dezember 2006 seinen 75. Geburtstag feierte, zieht darauf jede Menge Rückblicke ohne - wie man es bei Liedern von Degenhardt seit jeher gewohnt ist - die Sicht auf die Gegenwart zu verstellen. Degenhardt seziert weiterhin mit immenser Kraft Befindlichkeitszustände, stülpt auch auf "Dämmerung" oft den Zyniker hervor, und was ihm in jedem Falle blieb ist die wuchtige Sprachgewalt von Homer'scher Qualität, nur halt zeitgenössisch. So erzählt er z.B. davon, dass er nicht schlafen könne, „weil ich“, so Degenhardt im musikalisch asketischen, ja, archaischen, Titellied, „das Bild nicht vergessen kann: der Gefolterte auf der Kiste,/elektroverdrahtet zum tödlichen Schlag,/die schwarze Kapuze, das grässliche Grinsen/dieser Befreier vom Irak.“ Degenhardt setzt auf Reduktion (auch das ist eigentlich keine Überraschung), die diversen Dämmerstimmungen werden oft nur in sehr spartanischer Weise auf akustischer Gitarre und Melodica begleitet. All die Keyboards, Computer und Snare-Drums werden ebenfalls derart dezent eingesetzt, dass die Bilder und Geschichten nur ja keine Brüche erhalten. „Träume längst verschollener Zeiten“, singt er an anderer Stelle, „lagern drinnen, Glück, Gefahren, Abenteuer, Leidenschaften“, erzählt von alten Freundschaften und lieb gewonnenen Menschen, und er erinnert sich in „Sie ist in den Wald gegangen“ an eine längst Verstorbene. In intensiven Bildern galoppiert er durch einen „Traumritt“, in „Bruder Hans“ entdeckt er wieder eine alte Kneipe am Bahndamm, und wie er da spöttisch singt „Die alten Schlachten werden nicht mehr erzählt/Mutter Mathilde kennt eh niemand mehr/Fußball natürlich rund um die Welt/und wer spielt wo und ist Millionär“ hat derart viel Klasse, dass man - einmal mehr - nur ehrfürchtig den Hut vor ihm ziehen kann. Eine weitere unglaubliche Bestandsaufnahme trägt Franz Josef Degenhardt im Lied "Auf der Heide" vor. Da steht er am Grab von Rudi und erzählt ihm von den Neo-Nazis, "diese Bande/.../die ihre Mörderhymnen grölt/.../Es sind nicht mal viele/.../nicht stramm und steif/Nein, diesmal lockerer/zivilgesellschaftlich/tänzelnd beinahe/zu Pop und Fun/Ihre Reden: semantisch gesäubert..." In den zehn Liedern von „Dämmerung“ steckt eine große unverrückbare Weisheit, zugleich eine musikalische Kraft, von der man bereits eine Zeit lang glaubte, dass diese ausgestorben sei. (Manfred Horak)