Van Morrison hat sich niemals von irgendwelchen musikalischen Trends vereinnahmen lassen. Im 73. Lebensjahr beim 40. Album angekommen, ist er mehr denn je die Antithese eines Rock-Stars.
Unbestritten ist auch, dass er neben Bob Dylan, John Lennon und Paul McCartney einer der gewichtigsten Singer-Songwriter des vergangenen Jahrhunderts ist. Während Bob Dylan und Paul McCartney im Schnitt alle zwei Jahre ein neues Album vorlegen, so veröffentlicht Van Morrison vier Doppel-Vinyl-Alben in zwei Jahren. Nach dem Überhammer-Blues-Album "Roll With The Punches" (u.a. mit Jeff Beck) und den jazzlastigeren Alben "Versatile" und "You’re Driving Me Crazy" (mit Joey de Francesco) geht es diesmal ans prophetisch Eingemachte. "The Prophet Speaks" heißt denn auch das wunderbare Ergebnis der Studioarbeit, das Van the Man in gleicher Besetzung wie das Vorgängeralbum einspielte. Und wie bei den drei Alben davor ist es erneut eine Mischung aus alten Blues-, Jazz- und Soulnummern und neuen Songs aus der Feder vom Meister.
"The Prophet Speaks" kommt vielleicht nicht ganz an das wuchtig-elementare "Roll With The Punches" ran, aber übertrifft die beiden anderen Vorgänger-Alben mit Leichtigkeit, was letzten Endes auch mit seinen eigenen neuen Songs zu tun hat, vor allem mit dem Titelsong, der zu den besten Songs seines Gesamt-Oeuvres gezählt werden kann. Ein Leuchtfeuer, das für sich steht. Ein Song, der strenge Winter und dunkle Zeiten zum Erstrahlen bringt. Ein wertvolles Unikat in düsteren Musikjahren. Dazu streut das Stimmwunder kongeniale Neuinterpretationen von Klassikern wie "Gotta Get You Off My Mind" von Solomon Burke oder "Dimples" von John Lee Hooker ein. Das seltsam anmutende Album-Cover (bei Van Morrison ja nichts Neues) ist wiederum möglicherweise eine Anspielung nicht nur auf den Titelsong, sondern auch auf die Cover-Version von Sam Cookes "Laughin And Clownin".
Den Einstieg ins Album liefert das großartige "Gonna send you back to where I got you from", einem Original von Eddie Vinson & his Orchestra aus dem Jahr 1947, das der Sänger aus Belfast gemeinsam mit Joey de Francesco (Orgel, Trompete), Dan Wilson (Gitarre), Michael Ode (Schlagzeug) und Troy Roberts (Tenorsaxophon) mustergültig ins Heute bringt ohne - wie eingangs erwähnt - auf heutige Trends und Regeln zu achten. Und weil vorhin vom überirdischen Titelsong die Rede war - auf Augenhöhe befinden sich auch die neuen VM-Songs "Got To Go Where The Love Is", "Ain't Gonna Moan No More" und "Spirit Will Provide". Die zwei weiteren neuen Songs aus seiner Feder - "5am Greenwich Mean Time" und "Love Is Hard Work" - fallen im direkten Vergleich hingegen etwas ab, sind aber immer noch um Hochhäuser besser, was man sonst so im Radio hört.
Wer seine letzten drei Alben mochte, wird dieses lieben und wer aus z.B. finanziellen Gründen auswählen muss, dem sei neben "Roll With The Punches" dieses hier bevorzugt empfohlen. Die Songauswahl ist nämlich mehr als exzellent - neben den bereits erwähnten Liedern überzeugen insbesondere "Worried Blues / Rollin And Tumblin" von J.D. Harris als eine weitere Blues-Machtdemonstration von VM und groovend-flirrender Orgel von Joey de Francesco inklusive, sowie - ebenfalls von J.D. Harris - der Slow-Blues "Teardrops" mit einem Van Morrison, der wieder einmal den Löwen abgibt und mit einem entfesselt aufspielenden Dan Wilson an der Gitarre. All diese Aufnahmen sind sozusagen barrierefrei entstanden - live im Studio eingespielt, ohne Overdubs und sonstigen technischen Mätzchen. Auf guter Anlage auf Vinyl hört man freilich das ganze Ausmaß dieser Qualitätsmusik noch um einiges besser, aber selbst wer nur die gestreamte Version via Kopfhörer aufmerksam verfolgt wird entzückt sein angesichts dessen was uns Sir Vantastic einmal mehr vorsetzt - oder, wie ein Follower die richtige Formulierung dazu fand: "The Poetic Philosopher with his Sense of Wonder takes us Into that Mystic Paradise once again." //
Text: Manfred Horak
HIER KANNST DU THE PROPHET SPEAKS VON VAN MORRISON KAUFEN.
Album-Tipp:
Van Morrison: The Prophet Speaks
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@@
Label / Vertrieb: Exile Productions / Universal (2018)