Musik: @@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Quinton Rec./Edel (2005)
Alle
Jahre wieder bricht der Gaucho auf uns nieder und wirbelt durch den Alpenstaat,
heuer sogar mit neuer CD im Gepäck: Renato Borghetti.
„Gauchos“ nennt sich sein neuer Tonträger, der auf dem österreichischen Label Quinton veröffentlicht wird und in gewohnter Besetzung – Daniel Sà an elektrischen und akustischen Gitarren, Hilton Vaccari an Akustikgitarre, Pedro Figueiredo an Flöten und Sopransaxofon und Borghetti himself natürlich am Akkordeon – aufwartet plus als Gast bei zwei Liedern Alegre Correa. Auf „Gauchos“ ist die Sinnlichkeit zu Hause und tatsächlich (vorab hörte man es schon munkeln) ist dies die offenbar erste adäquate Umsetzung der puren, schönen Songs auf CD. Die Produktion zeichnet sich in mehreren Dingen aus.
Als erstes sind da natürlich die
Kompositionen der vier Gauchos, von Correa und einigen anderen, die 13 Tracks
sind musikalische Feinheiten, um die man eigentlich nicht umhinkommt, darüber
hinaus entzückt „Gauchos“ mit einer wunderbaren Tonqualität (wie man es sich
aber eigentlich von Quinton-Produktionen ja soundso erwartet) und einzig das
Artwork wird dem Inhalt nicht gerecht, am wenigsten das seltsam
Klischeeverzierte Cover. Klischees auf die Borgetti und seine Musikerfreunde
zum Glück ausnahmslos verzichten, das Landleben vielmehr in feinen
Ziselierungen zwischen Folk und Jazz zum Besten geben. Woher kommt denn nun
dieser Renato Borghetti aber eigentlich? Borghettinho war der erste
brasilianische Musiker, der mit reiner Instrumentalmusik eine goldene
Schallplatte in Brasilien einspielte, die mittlerweile längst Platinstatus
erlangte. Seine erste Platte, die sich gleich mehr als 100.000 mal verkaufte,
spielte er in Eigenproduktion in einem kleinen Studio im Morgengrauen ein. Der
in ganz Brasilien populäre Gaucho spielte 2001 beim größten Rockfestival
Brasiliens, „Rock in Rio“, und dies, obwohl er seine Musik aus einfachen
volksmusikartigen Klängen schöpft, in denen er sich dem Jazz und der E-Musik
nähert. Dieses Wechselspiel brachte ihm auch Auftrittsmöglichkeiten bei
Free-Jazz-Festivals und die Gelegenheit mit Ron Carter und Stephane Grapelli zu
konzertieren.
Der musikalische Spurensucher Borghetti lebt in Südbrasilien auf
einer Farm, ist gelernter Veterinärmediziner, und trinkt mit Vorliebe
Chimarrao, kurzum: er ist ein echter Gaucho und ein Gaucho ist ein Menschentyp
in Argentinien, Urguay und dem südlichen Brasilien, der mit dem
nordamerikanischen Cowboy vergleichbar ist. Die Gauchos in Brasilien waren die
ersten Einwohner des südbrasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul, deren
Hauptstadt Porto Alegre ist. Ein Chimarrao wiederum ist ein aromatisches
Warmgetränk, das zwar am häufigsten in Verbindung mit der Gaucho-Tradition
gebracht wird, aber bereits lange davor unter den Ureinwohnern Südamerikas
Verbreitung fand. Dieser Mate-Tee wird aus warm-lauen bis heißem, allerdings
nicht kochenden, Wasser zubereitet. Die ideale Trinktemperatur beträgt dabei 65
Grad. Das Getränk wird aus dem Stielende einer Kalebasse, also eines
Flaschenkürbisses, getrunken. Der Kürbis wird dazu längs der Achse geteilt,
sodass ein bechergroßes Stück übrig bleibt, das, ausgehöhlt und getrocknet, am
oberen Rand häufig mit Metall verziert ist. Zum Trinken selbst wird in der
Regel ein Röhrchen aus Metall verwendet – in Brasilien bomba (Pumpe) genannt –
das am unteren Ende mit einem Sieb versehen ist. Der Mate-Tee bewirkt eine Stimulation der
allgemeinen körperlichen Befindlichkeit, macht wach, zügelt den Appetit und
hilft beim Stressabbau und wird besonders nach dem Aufstehen bzw. für intensive
nächtliche intellektuelle Aktivitäten empfohlen. Was dem Gaucho sein Mate-Tee,
ist ihm musikalisch die Milonga, die ländliche Frühform des Tango, Volksmusik der Pampa, zumeist das
Drama des Gauchos thematisierend. All diese Ingredienzien kommen in der Musik
von Borghetti deutlich zu Gehör, bislang am besten auf dem Album „Gauchos“, das
die Essenz der Lebensweise und –auffassung des Quartetts reflektiert. (Manfred Horak)