Literature en miniature im Pop-Idiom.
Ein rasanter Wechsel zwischen Alltagsbeobachtungen und philosophischen Blitzlichtern.
Als Herzenskind der 1960er Jahre, die ich zugegeben nicht selbst erlebt habe, können mich neue Bands, besonders jene, die im deutschen Idiom singen, oft nicht besonders beeindrucken. Alles schon irgendwie - irgendwo - irgendwann gehört. Oder so. Oder anders. Wie die Band Von Wegen Lisbeth und das Album "Grande". Sehr, sehr anders. Sehr, sehr super!

Wie im Leben so oft, verdanke ich die Bekanntschaft mit der Band Von Wegen Lisbeth einer lieben Freundin, die beiläufig meinte, es gäbe da eine neue Band, die könnte auch mir gefallen. Sie spielte mir ein paar Songs im Internet vor - und ich war befallen!


Die gewitzte Kombination aus spritzig-quirlender Musik und verschrob-schrägen-ironisch-lakonischen Texten haben mich sofort überzeugt. Besonders hervorzuheben ist auch das liebevoll aufgemachte Booklet, sowie die gesamte künstlerische Arbeit und Rafinesse, mit der die CD gestaltet wurde - kleine Nachhilfe in Bio inklusive. In Zeiten, in denen viele Leute (leider!) das Hören von Songs auf YouTube über Smartphone mit Musikhören verwechseln, in Zeiten, in denen sich manche Jugendliche vielleicht gar nicht mehr vorstellen können, dass es viele Songs auf einmal, als Package, zu kaufen gibt, die dann sogar als CD oder Vinyl abzuspielen sind, auf meinem Gerät, das nicht Smartphone heißt, in diesen, den modernen Zeiten also, tut es der analogen Seele und dem musikalischen Herzen unendlich gut, ein ansprechendes Album haptisch bestaunen zu dürfen. Fester Karton und das Booklet samt Texten, welches zum Poster entfaltet werden kann. Viele Farben erfreuen zudem auch noch das Auge, wobei hier sogar außerordentliche Farbtöne vorgestellt werden.

Austernschalenweiß, Kölner Brückengrün. Dioxazinviolett.

Abgesehen von höchster Ohrwurm-Alarmstufe, besonders bei Liedern wie "Meine Kneipe", "Cheríe" und "Bitch" (und eigentlich auch bei den anderen Songs), sind es die sprachgewaltigen Texte, die Von Wegen Lisbeth, besonders interessant machen. Die Texte sind quasi Literature en miniature und schaffen den rasanten Wechsel zwischen Alltagsbeobachtungen ("Was ist heute so passiert? Meine Virendatenbank wurde aktualisiert.") und philosophischen Blitzlichtern ("Jetzt wird outgesourced im Hinterkopf. Doch im Wechselbad meiner Gefühle gibt es keinen Bademeisterjob."). Das leicht sentimentale Lied "Drüben bei Penny" fordert ironisch dazu auf, die "Träume im XXL-Sparpaket, das drüben bei Penny um 1,20 beim Kaffee steht" zu überdenken. Optimismus verbreitet "Wenn du tanzt", mit Sätzen, die man gerne auf T-Shirts sehen würde: "Fiese Heuschrecken, räudige Immobilienhaie. Alles Tiere, wenn du tanzt. Ackermann, Merkel, Jan Fleischhauer, Voldermort. Nette Menschen, wenn du tanzt." Von Wegen Lisbeth ganz easy. Sie destillieren sehr humorvoll die Nöte und Sorgen des Lebens, aber sie zeigen auch mit spitzer Feder die Lächerlichkeit so mancher Probleme unserer Gesellschaft auf (Stichwort: Milchschaum). Einfach Grande! Am 7. Oktober 2017 spielt Von Wegen Lisbeth im WUK in Wien. //  

Text: Nadia Baha
Foto: Still aus dem Video Meine Kneipe

Von Wegen Lisbeth: Grande
Musik: @@@@@
Klang: @@@@
Label / Vertrieb: Columbia / Sony Music (2016)