Der Großteil der Menschheit sehnt sich nach Liebe und Geborgenheit, nicht alle bekommen es. Eine Art musikalische Anleitung wie es gehen könnte liefert Concha Buika, wenn sie ihr ganzes Herz in die Melodien legt - und die Seele gleich dazu. Buika schafft es mit ihrem Feeling beim Publikum sämtliche Sinnesnerven zu treffen, denn genau diese Echtheit im Ausdruck ist es, der man sich nicht entziehen kann. Die Sängerin wuchs als Tochter von Zuwanderern aus Äquatorialguinea in Mallorca auf, lernte ihre Gesangskunst zunächst von Gitanos, später sammelte sie musikalische Erfahrungen von Electronica-Produzenten im Studio vom Trüby Trio bzw. auf Bühnen in Las Vegas als Tina-Turner-Interpretin. Rasch wurde Buika als Stimmsensation erkannt, sowie ihre Ausdrucksstärke in der Interpretation hervorgehoben. Anders formuliert: Ihre Stimme raspelt wie samtenes Schmirgelpapier, ist rau und erotisch. "La noche más larga - Die längste Nacht" heißt das mittlerweile sechste Album der wohl angesagtesten Stimme Spaniens. Ein Album, auf dem sie eine neue, jazzige, Fährte aufnimmt, eingespielt mit ihren zwei musikalischen Partnern Ivan ‚Melón‘ Lewis am Klavier und Ramón Porrina an den Percussions, die sie auch live begleiten [auf dem Album hört man bei einem Song zudem Jazzgitarrist Pat Metheny; Anm.]. Die Sängerin über ihre zwei Compañeros: "Ich muss Musik mit anderen Musikern machen, und jene, die dabei waren, wissen, wie man mich am besten begleitet; sie wissen immer genau, wo ich bin. Man kann sich nicht vorstellen, wie es ist zu singen und diese Zwei an seiner Seite zu haben. Wir haben eine Verbindung jenseits der Worte." Buika singt nun also Jazz. Sicher da ist immer noch die Expressivität des Flamencos drin, das Gerüst der Songs jedoch ist Jazz, egal ob ein Klassiker von Billie Holiday oder eine Eigenkomposition intoniert wird. Buika: "Ich bin seither gewachsen und alles, was ich singe, singe ich mit demselben Herzen". Auf dem neuen Album sind insgesamt 12 Songs drauf, fünf davon stammen aus der Feder von Buika, in der sie mitunter stilistische Konventionen überschreitet, also vom Gerüst Jazz aus zu einer Reise durch Flamenco, afrikanische und kubanische Musik unternimmt. Die sieben Fremdkompositionen wiederum stammen von klassischen Songwritergrößen wie Billie Holiday, Abbey Lincoln und Jacques Brel. Betrachten wir daher Song für Song des Albums, da Buika vermutlich die meisten davon auch beim Konzert zu Gehör bringen wird.
Die längste Nacht - Song für Song
Auf dem Vorgängeralbum, der Doppel-CD "En mi piel - In meiner Haut" (2011), eine Art Greatest-Hits-Album mit zum Teil bis dahin unveröffentlichten Aufnahmen sind zwei Lieder drauf, die auch auf dem aktuellen Album zu hören sind, allerdings in radikal überarbeiteter Form, nämlich "Sueño Con Ella" und "Cómo Era". Buika über die beiden Songs: "Manchmal finden wir die Ideen anderer Menschen brillant und vergessen unsere eigenen zu würdigen. Aber wenn du über dein eigenes Projekt nachdenkst, sollten deine eigenen Ideen zuerst kommen, denn sie sind näher an dem, was du ausdrücken willst. Das ist der Grund, warum ich auch zu diesen Songs zurückgekehrt bin und sie nach dem zu variieren, wie ich mich zu jener Zeit fühlte." Die drei weiteren Eigenkompositionen fanden hingegen das erste Mal den Weg auf einen Tonträger, so z.B. "Ni Lo Sé", das auf dem Album mit Pat Metheny aufgenommen wurde. Über den Jazzgitarristen meint Buika: "Er änderte mein Denken in dieser einen Woche, die wir damit verbracht haben, an dem Song zu arbeiten. Er hat mir geholfen, viele Dinge loszuwerden, für die ich andere Dinge bekommen habe ohne das Gefühl zu haben, in seiner Schuld zu stehen." Ihr Song "Los Solos" wiederum begleitet die Sängerin bereits seit Jahren, zunächst in einer Electronica-Version, später als Samba. "Es geht um Gefühle in Echtzeit", so Buika. "Jene, die am meisten lieben, sind immer einsam. Mein Herz geht immer mit meinem Sohn, meiner Schwester und meiner Mutter, und ich denke oft daran, wo sie in diesem Moment sein mögen und was sie wohl tun. Das ist dieser Song." Ihr fünftes eigenes Lied auf dem Album ist der Titelsong, der sich anhört wie er heißt, so als wäre die Sängerin aus einer endlosen Nacht gekommen. Motto des Songs: Jeder Moment zählt. Die zwei bekanntesten Fremdkompositionen des Albums sind sicherlich "Don't Explain" von Billie Holiday und das Chanson "Ne Me Quitte Pas" von Jacques Brel. Buika: "Das Lied besitzt eine Traurigkeit, die sich anfühlt wie die totale Hingabe. Ich habe mich darauf beschränkt, nur zwei Strophen zu singen. Vielleicht werde ich eines Tages in der Lage sein, es ganz zu singen, ohne darin zu versinken, aber im Moment weiß ich nicht, ob ich es tun könnte, ohne dabei zu zerbrechen." Und über "Don't Explain" meint Buika: "Der Song von Billie Holiday erzählt von einer Frau, die ihren Geliebten bittet, keine Erklärungen abzugeben, sondern einfach zu bleiben. Es gibt Menschen, die sich streiten, und Menschen, die sich entscheiden zu genießen, ohne all die Dramen." Mit "Throw it away" fand auch ein Lied von Abbey Lincoln den Weg aufs Buika-Album. "Manchmal", so Buika, "gibt es Melodien, die dir immer wieder in den Kopf kommen, und dies ist eines dieser Mantras." Eines der bekanntesten lateinamerikanischen Lieder, "Siboney" von Ernesto Lecuona aus dem Jahr 1929, singt Buika ebenfalls, den ihr Meister Chuco Valdés empfahl: "Ich sagte ihm, dass ich den Song nicht kennen würde... ich hätte sterben können vor Scham. Dann stolperte ich eines Tages über die Version von Connie Francis. Es traf mich direkt ins Herz." Von Mercedes Sosa wiederum hörte Buika erstmals den Song "Yo Vengo a Ofrecer mi Carozón" von Fito Páez, das, so wie "La Nave del Olvido" von Dino Ramos, einer dieser Songs ist, "die mich näher an mein Zuhause bringen, näher an die Erinnerungen." Bleibt noch ein Lied übrig, das auf dem Album, und hoffentlich auch beim Konzert, zu hören ist, nämlich "Santa Lucía" von Roque Narvaja, einer von Buikas absoluten Lieblingssongs. Buika: "Er berichtet von diesem wunderbaren, impulsiven Gefühl, das wir mit jungen Leuten verbinden... Ich weiß nicht, warum das so ist, denn die Fähigkeit, sich zu verlieben hängt nicht vom Alter ab." Schlussendlich verrät uns Buika auch noch ihren größten Wunsch, was sie mit ihrer Musik erreichen möchte: "I just want to be true. I want what Charlie Parker's got - I want eternity." //
CD-Tipp:
Buika: La noche más larga
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Warner Music (2013)
Text: Manfred Horak
Foto: Warner Music
Ihre Stimme raspelt wie samtenes Schmirgelpapier: Buika
von Manfred Horak
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