Am 21.12.2012 ging die Welt unter. Für all jene, die dieses Medien begleitende und Konsum orientierte Großereignis verabsäumten gibt es dazu nun den Soundtrack vom größten Orchester der Welt, Gansch & Breinschmid.
Wir schreiben die Minute 26, noch ist alles im Unklaren wie das mit dem Weltdings weiter- oder auch nichtgehen wird. Zeit also den schnöden Götterfunken von Thomas Gansch freudig gesungen zu bekommen, um sich dann doch seines antibürgerlichen Humors zu besinnen, wenn Gansch zur schockierenden Einsicht gelangt, "alle Menschen werden ... bla bla bla". Wenn wir schon bei lyrischen Gedankenentwürfen sind: Das vorliegende Live-Album hat hier einiges zu bieten, z.B. die "Klassik Gstanzln" als logische Fortsetzung der "Jazz Gstanzln" (aus dem Breinschmid-Album Fire; 2012). Der Titel gibt freilich bereits das Thema vor und so hören wir virtuose Vierzeiler wie "Seit 40 Jahrn sitze ich drunten im Grabm / würd so gern dort amoe an Mulatschag habm / mit Bier, Zigarettn und nackerte Weiber / doch stattdessen sehe ich nur Carlos Kleiber..." Dazu gibt es dann noch den Bud Spencer in b, sowie den Versuch von Synkopen im Swing. Wie die Musik werden übrigens fast alle Texte vom Kontrabassisten Georg Breinschmid und dem Trompeter Thomas Gansch geschrieben. Sie sind eben ein echtes Duo, unorthodox, seit Jahren gefestigt und, so scheint es, der Zeit oftmals einen Schritt voraus. Apropos Zeit: Der erste Nummer-Eins-Hit sollte eigentlich nur eine Frage der Zeit sein. Auf dem vorliegenden Album gibt es mit "Der Tod" (mit schönen Grüßen an das "Leben ist ein Hit"-Formatradio!) einen solchen potenziellen Kandidaten. Eingängige Melodie zum Mitsummen/-lalallen trifft hier auf einen prägnanten Text, der einem unweigerlich zum Lachen bringt, politische Message inklusive: "Der Tod ist nicht bestechlich, kommt nicht aus Österreich". Gansch betätigt sich hier als Sänger und Breinschmid spielt alle Instrumente. "Der Tod" ist Songwriting par excellence und gleichzeitig Musikkabarett vom Feinsten, das man eigentlich gar nicht genug würdigen kann (ein Video gibt es übrigens auch dazu). Herausragend auch ihre instrumentale Interpretation von "Come As You Are", also jenem Stück Grunge-Jazz aus dem Nirvana der Musikgeschichte frei nach Kurt Cobain. Zur Abrundung gibt es dazu eine Ansage, die so schlecht ist, "dass sich der ORF überlegt, uns Dienstagabend eine Show zu geben", sowie "Irgendwas" von der taiwanesischen Komponistin Wuahido, die ja ihren Durchbruch bei "Ekkenvölda", dem schwedischen Festival für Neue Musik, schaffte. Spätestens hier erweisen sich Gansch-Breinschmid als Meister der Satire. Wie schön wiederum "Vorübergehender Gedächtnisverlust / partielle Amnesie" sein kann hören wir in der Fortführung des Duos Traditionspflege des "Neuen Duettenxangls" im großartig melodiösen Lied "Herbert Schnitzler". Dargebracht in einer mitreißenden Performance und großem Chor, gedacht als letztes gemeinsames Singen bevor die Welt geht. Aber mehr als ein Déjà Vu war da nicht und so beendet das größte Orchester der Welt das Konzert mit einem Gruß: "Die Wiener Philharmoniker und ich wünschen Ihnen ein Profit Neujahr!" [Zur Erinnerung, um den Schmäh zu kapieren: Breinschmid war Bassist bei den Wiener Philharmonikern; Anm.]. Hernach entlassen sie uns in die nun doch nicht untergegangene Welt mit dem Walzer "An der schönen blauen Donau", bevor das Beatles-affine Duo standesgemäß in die musikalische Abweichung gerät. Aus dem Strauss-Walzer wird flugs "Can't buy me love" und "Lady Madonna" vom bekanntesten Duo aus Liverpool bis hin zu den Standards "Something stupid" und "Tea for two", kurzum: Ein Potpourri wie es das Leben schreibt. Nach 79 Minuten und 42 Sekunden ist der Schlussapplaus verklungen. Zurück bleibt ein definitiver Anwärter auf das Album des Jahres 2013 made in Austria. (Text: Manfred Horak; Foto: Julia Wesely)
CD-Tipp:
Gansch & Breinschmid: Live
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Preiser Records (2013)
Link-Tipps:
Georg Breinschmid
Thomas Gansch