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carmen-bradfordBeim Jazz am Bauernhof Festival INNtöne 2012 gastierte unter anderem auch die letzte Sängerin der legendären Count Basie Band, um dort an die hohe Kunst der Ballade zu erinnern. Denise Riedlinger traf für Kulturwoche.at die Sängerin Carmen Bradford zu einem ausführlichen Gespräch.

Carmen Bradford, die Tochter der Sängerin Melba Joyce und des Trompeters Bobby Bradford, hat einiges an Jazzgeschichte mit erlebt. Die letzte Sängerin der Count Basie Big Band, die von Basie kurz vor seinem Tod engagiert wurde um dann neun Jahre im Ensemble zu bleiben, präsentierte sich Abend für Abend an der Seite eines der stärksten Bläserensembles der Welt - "da musste ich mit dem ganzen Körper arbeiten und bis in die Zehenspitzen atmen", meint sie heute mit einem Lächeln. Umso erfrischender war es, als die kleinwüchsige Sängerin aus Kalifornien sich im familiären Ambiente des Schweinehofs in Diersbach am Beginn ihres Auftritts die Schuhe auszog: "I hope you don't mind, but I wanna sing my best for you". Gestört hat es keinen.

Im dicht gefüllten Heustadl, das unter der Leitung von Paul Zauner einmal im Jahr zur Festival Location mutiert, durfte man dann miterleben, wie selbstsicher Bradford "ihr" Genre Jazz vertritt. Die Songauswahl war gediegen, besonders bei den Balladen "The Shadow of Your Smile", "Moon River", und der ausgesprochen selten aufgeführten Komposition "My Future Just Passed" verstand es Bradford mit ihrer erlesenen Phrasierung und unter Einsatz von bewusster stimmlicher Zurückhaltung das Publikum ganz nahe an sich heranzuholen. Pianist Gary Motley unterstützte sie dabei mit fein gesponnenen Läufen, die sich wie Seidenbänder durch die Musik zogen, und Bradford so ein sicheres Netz für ihr kräftiges, dunkles Timbre bereiteten. Im Gespräch nach dem Konzert zeigt sich Bradford, die selbst auf einer Farm in Kalifornien groß wurde, ausgesprochen charmant und findet lobende Worte für ihre österreichischen Musikerkollegen Wolfram Derschmidt (Bass) und Dusan Novakov (Schlagzeug): "Als Gary und ich hier am Hof das erste Stück mit Wolfram und Dusan probten, wussten wir nach wenigen Takten - es wird ein gutes Konzert werden".

Carmen Bradford über die Zeit mit der Count Basie Band

Mr. Basie hat mich als Studentin in Texas singen gehört. Ich ging zu ihm und sagte 'Hi Mr. Basie, ich heiße Carmen Bradford und wenn sie mich engagieren, werden sie eine Million Dollar verdienen'. Er lächelte und sagte: 'Tatsächlich?' Nach meinem Auftritt meinte er: 'Ich glaube, ich werde dich engagieren.' Neun Monate vergingen, als ich seinen Anruf erhielt: 'Hier spricht Count Basie, bist Du das Mädchen das mit mir arbeiten will?' Ich dachte, es wäre mein Cousin Otis, der mir einen Streich spielen wollte und sagte: 'Otis, bist Du das? Verschwende nicht meine Zeit mit so dummen Streichen'. Als ich ging, läutete das Telefon erneut und derselbe Mann sagte zu mir: 'Leg nicht auf, bist Du die Kleine die mit mir arbeiten will oder nicht? Hier spricht Count Basie und ich ruf nicht nochmal an!' Und das war's, fünf Tage später saß ich im Flieger nach Boston um mit der Band aufzutreten. Später erfuhr ich dass Norman Grantz, Ella Fitzgerald's Manager, mein Tape in einem New Yorker Hotel gehört und Basie gedrängt hatte mich zu engagieren.

Carmen Bradford über ihre Eltern Melba Joyce und Bobby Bradford

Als ich zum ersten Mal das Stück "Mr. Paganini" singen wollte, sagte mein Vater zu mir: 'Carmen, don't shame the family'. Was er damit meinte war, wenn du Jazz nicht wirklich drauf hast, dann lass es lieber. Genau das ist heute das Problem vieler Sänger. Mein Vater nahm mich schließlich auf seine Tour mit David Murrey mit, wir führten eine Duke Ellington Retrospektive auf. Ich liebe es mit meiner Mutter aufzutreten, sie sagt mir ehrlich wann es klickt und wann nicht. Es berührt mich, dass sie im Alter immer besser wird. Einmal musste ich bei unserem Duo zu Roberta Flack's "The First Time Ever I Saw Your Face" so weinen, dass sie zu mir kam und mir den Rücken tätschelte, damit ich mich wieder erfangen konnte.

Das Leben nach Count Basie

Als ich aufhörte mit der Count Basie Big Band zu spielen, war Big Band das letzte was ich machen wollte. Ich glaube, das Publikum realisiert gar nicht, was für eine Herausforderung das ist mit einer 17-köpfigen Big Band aufzutreten. You have to sing Honey! Ich hatte nur drei Songs, um zu zeigen was ich alles kann. Da musste ich mit dem ganzen Körper arbeiten, bis in die Zehenspitzen atmen, alles rauslassen was ich hatte. Heute genieße ich es aber wieder.

Carmen Bradford über Jazzgesang und American Idol

Heute kommen häufig Teenager zu mir, die unbedingt bei American Idol auftreten und R'n'B "lernen" wollen. Diese Generation ist es gewohnt, alles schnell vermittelt zu bekommen - es ist nicht leicht jemandem zu sagen: 'Sing das anders, lass Dir mehr Zeit, denk an den Text.' Manchmal sind sie einfach zu jung, um die Songs zu verstehen. Du musst an dir und an der Musik arbeiten, anders geht es nicht. Es bedeutet etwas, einen Song wie etwa "My Future Just Passed" zu singen. Phrasing ist für junge Sänger eine echte Herausforderung. Sie singen Läufe und Riffs, und vergessen auf den Text. Ich wünschte, wir hätten ein American Idol für Jazz, das wäre doch mal was! Wenn mich jemand hört da draußen, bitte macht diese Show, damit wir endlich echtes Talent sehen können! (Interview und Text: Denise Riedlinger; Foto: INNtöne)