Tatort: Wachau
Art der Tat: "Venustransit"
Täter: Ensemble Extracello, Mirkovic/Loibner, Trachtenkapelle Rossatz, Ensemble Feuchte Mutter Erde, Canti delle Donne Sarde, Katajjaq & Txalaparta
Verantwortlich: Die Gestalter des Festivals "Imago Dei“.
Strahlender Sonnenschein, das mit Besuchern oder sollte man besser sagen mit Teilnehmern der Osterprozession und künstlerischen Mitwirkenden bis auf den letzten Platz besetzte Schiff legt in Krems ab und trifft, rund eine Stunde später in Weißenkirchen ein. An Bord wird geredet, genossen, der Musik aus Sardinien gelauscht und der Sonne gehuldigt. In Weißenkirchen bewegt sich die Prozession der derart Eingestimmten zur örtlichen Pfarrkirche. Das Ensemble Extracello zelebriert „Quaternion“, ein Stück der tatarischen Komponistin Sofia Gubaidulina.
Kontemplative Klänge auf der Suche nach der endgültigen, der absoluten (musikalischen) Wahrheit.
Christliche Symbolik, mystisches Gedankengut und immer wieder verborgene Texturen großer Dichtung verschmelzen in dem hochkomplexen Stück zu einer Einheit.
Natasa Mirkovic-De Ro, Sängerin vom Sandy Lopicic Orkestar und Schauspielerin aus Sarajewo, seit Jahren in Österreich ansässig, schlüpft in die Rolle von Kassandra, der Seherin, der ob eines Fluches niemand glauben schenkte.
„Laments of the Balkan“, Lieder vom Verlust, von der Trennung, vom Schmerz und dem Tod.
Natasa Mirkovic verwandelt sich mit einfachsten Mitteln in die Leidende, die Trauernde, die (vom Unheil) Wissende und Verkündende. Den einfühlsamen musikalischen Begleiter an der Drehleier gab Matthias Loibner.
Die Erweckung der Venus und andere hallelujanische Erleuchtungen
Donauabwärts ging es weiter nach Krems, am Schiff wurden die Gäste noch einmal auf den Venusritus eingestimmt.
Die nunmehr fackeltragende Prozession bewegte sich in Richtung Minoritenkirche in Stein an der Donau.
Dort hat die Trachtenkapelle Rossatz Aufstellung genommen und geleitet die Gäste zum nächsten Programmpunkt. „Feuchte Mutter Erde“, die Kollektivperformance eines Künstlerkollektivs aus Linz steht am Programm.
Tänzerinnen und Musiker zelebrierten in einer kurzen, aber eindrucksvollen Performance die Erweckung der Venus.
Es ist ein wenig plakativ, was die Künstler boten, trotzdem kam der archaische Kontext zum Tragen und das bestens vorbereitete Publikum stimmte mit Begeisterung in den nahezu bacchantischen Gesang ein. Das Ei, das bemalte Osterei als Zeichen des heidnischen, wurde verteilt.
Traditionelle Klänge in sardischen Dialekten bot danach das Ensemble Canti delle Donne Sarde. Fünf Frauen und ein Mann bilden das Ensemble, vor allem der Musiker, Orlando Mascia, er spielt das uralte Instrument Launeddas und die Maultrommel sowie das Akkordeon und die Sulittu, riss das Publikum immer wieder zu Begeisterungsstürmen hin.
Ein traditionelles Blasinstrument: zwei Schilfrohre
Die Launeddas ist ein traditionelles sardisches Blasinstrument und dort schon seit etwa 2.900 Jahren in Gebrauch. Sie ist polyphon und besteht aus zwei fast gleich langen Schilfrohren, genannt Mancosedda und Mancosa Manna, sowie einem längeren, Tumbu genannten Rohr ohne Grifflöcher, auf dem ein Bordunton gespielt wird. Die linke Hand hält gleichzeitig die Tumbu und die Mancosedda, welche auch miteinander verbunden sind, die rechte Hand die Mancosa Manna. Die beiden Melodierohre werden polyphon gespielt, was bedeutet, dass - im Gegensatz zu herkömmlichen Blasinstrumenten - auf beiden Rohren gleichzeitig verschiedene Töne gespielt werden können.
Die Launeddas wird mit Zirkularatmung gespielt und geht im übrigen direkt auf den antiken Aulos zurück. Ende der Instrumentenkunde.
Frenetischer Beifall
Den Schlusspunkt setzen die vom Festival „Kontraste“ bekannten Schwestern von
Txalaparta an den „Schlagenden Hölzern“ aus dem Baskenland im Verbund mit den Stimmen aus Tuva.
Sylvia Cloutier und Akinisie Sivuarapik treten seit Jahren international als Kehlkopfsängerinnen auf. Die beiden Inuitfrauen stammen aus Iqualuit, der Hauptstadt des Nunavut Territory, die 1920 als Handelsposten der Hudson Bay Company gegründet wurde. Hier hat sich eine besondere musikalische Ausdrucksform erhalten: der Katajjaq. Während die Katajjait einst von Missionaren verboten wurden, werden sie heute auch in der Schule gelehrt. Sie sind der hörbare Beweis einer wieder gefundenen kulturellen Identität und zeugen von der Pflege des kulturellen Erbes der Inuit.
Ein ob der ungewöhnlichen Zelebrierung begeisternder Palmsonntag. (akro; Fotos: © NÖ Festival-GmbH)
CD Tipp:
Natasa Mirkovic-De Ro – Kassandra (Extraplatte)