Noch immer trägt sie Trauer im Herzen, die mittlerweile zum Folkstar avancierte Sängerin, Gitarristin und Komponistin Souad Massi, die nun mit einem neuen Album aufwartet.
Es war ein lauer Sommerabend, an dem die algerische Sängerin Souad Massi erstmals in Österreich einen Konzertabend absolvierte. Im Jahr 2004 trat sie im Rahmen von „Glatt & Verkehrt“ in Krems auf, als einer der Höhepunkte des Festivals, konnte sie zwar nicht ganz die Erwartungen erfüllen, was sie mit ihrem damals aktuellen Album „Deb“ setzte, dafür war das Interview mit ihr umso anregender.
Die traditionelle Musik, so meinte sie, müsse behutsam in die Moderne eingeführt bzw. eingefügt werden. Und was politische Themen anlangt, wäre es für sie klar, dass man diese aufgreifen muss, allerdings nicht in klassischen Protestsongs, sondern eher in Form von lebensbejahenden Liedern, in der Friede und Liebe dominieren, denn was sie nicht möchte ist Werbung für den Krieg zu machen. Was aber nicht so einfach ist, denn die Trauer ist allgegenwärtig, und mit der Trauer auch die Wut.
Schmerzhafte Erinnerungen über traurige Ereignisse
Mit ihrem Debütalbum „Deb“ sorgte Souad Massi jedenfalls für eine ganz große Überraschung auf einem übersättigten Musikmarkt namens „Worldmusic“. Am Cover von „Deb“ zeigte sie sich mit akustischer Gitarre, damit Vergleiche mit Sängerinnen wie Tracy Chapman oder Joan Baez leichter fielen und selbst als eine Sängerin angesehen wird, von der man annehmen kann, dass sie Inhalte zu transportieren imstande ist. „Honeysuckle (Mesk Elil)“ geht diesen Weg zielsicher weiter, was aber gleich auffällt ist das Element der englischen Sprache als Transportmittel für die breite Masse, weltweit. Waren die Texte auf „Deb“ noch in französischer Sprache abgedruckt, ist nun alles in englisch zu lesen. Die Texte beziehen sich erneut auf schmerzhafte Erinnerungen über traurige Ereignisse. Persönliche Schicksale die mutmaßlich dem blutigen Bürgerkrieg zugrunde liegen.
Sie erzählte von der Hölle und der Fotograf bat sie zu lächeln
In „There’s Worse (Hagda Wala Akter)“ trifft sie nach Jahren erstmals wieder ihre Freundin bei einem Fotografen: „She smiled at me through her tears, told me about her hell/And the photographer asking her to smile“. Nach Schätzungen fielen bis Ende 1999 rund 100.000 Menschen im „inneralgerischen Konflikt“, wie dieser blutige Bürgerkrieg von Medien oft verharmlost genannt wurde, zum Opfer. Massi in „Why is my heart sad“: „I didn’t have a happy youth/And I didn’t notice the passing time/I closed my eyes and I opened them/And time went by” – und an anderer Stelle im Titelsong heißt es: “I miss the streets of my childhood known by heart/And I even miss those people who hurt me”. Musikalisch begibt sich die hervorragende Sängerin in das weite Spannungsfeld zwischen Folklore, Folkmusik und Modern Beats, am Besten gelingt ihr dies im dreisprachigen (algerisch, französisch und englisch) „Tell me why“ mit Gastsänger Pascal Danae, sowie im Afrogroovenden „I won’t forget my roots (Manensa Asli (Miwawa))“ im Duett mit Daby Toure, am wenigsten überzeugend in „Mahli (Remix)“. Das klingt ziemlich aufgesetzt, macht Souad Massi plötzlich beliebig. Abgesehen von diesem vernachlässigbaren Stück Remix ist das Album ein Gewinn, die restlichen zehn Songs große Klasse, wenn auch „Deb“ noch eine Spur besser war, was vielleicht daran liegt, dass, ausgenommen „Tell me why“, die großen Melodien fehlen, die auf „Deb“ so gut wie überall zu finden waren.
Glücksfall Souad Massi
„Honeysuckle (Mesk Elil)“ ist außerdem von der Produktion her ein typisches Nachfolgealbum eines kommerziell erfolgreichen Vorgängers. Souad Massi konnte offenbar noch mehr aus dem Vollen schöpfen, was man bisweilen, also streckenweise, leider doch hört, da die Reduktion nicht gerade übermäßig gewürdigt wurde. So mancher Song leidet denn dann doch ein wenig zu sehr unter den Streichern und diversen Überlagerungen. Solcherart ist aber zum Glück keineswegs ubiquitär, sondern eher die Ausnahme, lässt aber dennoch glauben, dass hier auf ein noch breiteres Publikum geschielt wird. Dafür ist Souad Massi, denke ich mal, aber doch noch zu wenig Mainstream. Einerseits. Andererseits tritt sie nächstes Jahr nicht bei einem Festival wie “Glatt & Verkehrt” auf, sondern bereits im gediegenen Mainstream-Ambiente des Wiener Konzerthauses. Wie auch immer: Souad Massi zählt trotz allem bzw. gerade deswegen eindeutig zu den wichtigsten Musikern im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Massi: Ein Glücksfall. (Manfred Horak)
CD-Tipps:
Deb
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Wrasse Records / Harmonia Mundi (2003)
Honeysuckle (Mesk Elil)
Musik: @@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Wrasse Records / Harmonia Mundi (2005)
Link-Tipp:
CD-Kritik "Acoustic: The Best of Souad Massi (Live)"