Vom italienischen Liedpoet Gianmaria Testa liegt mittlerweile eine beachtliche, absolut empfehlens- und sammelnswerte Liedersammlung vor. Mit „extra-muros“ wird diese nun mit einem ursprünglich bereits im Jahr 1996 veröffentlichten Album ergänzt.
Testa erhellt die Musikszene mit poetischen Betrachtungen über das Dasein, zerpflückt den Sinn mit leisen Tönen, irgendwo zwischen großer Melancholie und stillem Humor, Provinzialität und dem weiten Raum. Die auf "extra-muros" enthaltenen zwölf Lieder fügen sich dementsprechend in sein bisheriges Werk nahtlos ein und bestechen mit Testas untrüglich scharfem Blick auf wesentliche Zwischentöne mit Textzeilen wie "Es gibt kein Paradies für die Armen" oder "Und ich hätte dich gerne/entdeckt/aber nicht so wie Amerika" bzw. "Auf der anderen Seite des Meeres/gibt es ein ehrliches Land/wie die Augen deines Sohnes/wenn er lacht".
Vertonte Lyrik mit einer vor Intimität und Zurückhaltung strotzenden Stimme und ebensolchen Arrangements, auch wenn, wie im Falle von "extra-muros" Gianmaria Testa mit großer orchesterhafter Band aufwartet.
Mit stark jazzinfiltrierten Nuancen leitet er dabei das Album mit dem Song "Per accompagnarti" (dt. "Dich zu begleiten") ein und lässt einem wunderschönen Intro das Bekenntnis "Ich würde dich wegen dieser Art/Rätsel, das du in den Augen/hast, begleiten" folgen. Man ahnt bereits, die Augen spielen auf diesem Album eine gewisse
Rolle, das Erkennen und das Aufspüren, sich auf die Reise zu begeben (wie man ja auch bereits am Motiv des CD-Covers deutlich erkennen kann) - auf eine Reise "versunken im Blau/wiederentdeckt/doch unerreichbar" und ein andermal "sehr nah dran, wo der Fluss das Meer trifft" bzw. "Bis dorthin, wo mein Berg zur Ebene wird". Text und Melodie greifen dabei jeweils perfekt ineinander, Testa und seine Musiker zelebrieren all dies mit einer betörenden Sensibilität und einer enormen Kraft, die gut und gerne auf hohe Lautstärke verzichten kann.
Der Sänger und Komponist erregt nämlich gerade mit der musikalischen Umsetzung von Langsamkeit und leisen Tönen die größte Aufmerksamkeit. Und größte Aufmerksamkeit verdient sich Gianmaria Testa auch - wer seine Musik immer noch nicht kennt, sollte dies rasch ändern. (Text: Manfred Horak; Foto klein: Terrason; Fotoserie: Guidolotti)
CD-Tipp:
Gianmaria Testa - extra-muros (Le Chant du Monde / harmonia mundi)