Lange hat man warten müssen, dass die, meistens sehr vitale, Musikszene in Wien eine Art Übersicht erhält. Und jetzt gibt es gleich zwei davon: eine 4-CD-starke Kompilation mit Musik aus Wien mit internationalem Hintergrund und eine CD mit quasi hiesigem Hintergrund.
Das Monkey Team rund um Mastermind Walter Gröbchen begab sich bei "WienMusik 2010" auf eine sehr gegenwärtige, poetisch-philosophisch ziselierte, Spurensuche, und stellte sich die Frage: "Finden Ambros, Danzer, Heller, Falco, Zawinul und Novaks Kapelle nachgeborene Fackelträger, Geistesverwandte, Nachahmungstäter?" Ob Franz Schuh auf dem Cover deshalb so griesgrämig urwienerisch dreinschaut, weil so unterschiedliche Bands wie Laokoongruppe, Ja Panik, Das trojanische Pferd, Die Strottern, 5/8erl in Ehr'n, Garish und Fatima Spar and the Freedom Fries bis hin zu Solo-Künstlern wie Gustav, Clara Luzia, sowie Ernst Molden und Willi Resetarits letzten Endes auf einer gemeinsamen Silberscheibe Eingang fanden wurde bis dato nicht bestätigt und natürlich gilt wie immer die Unschuldsvermutung. Das Ganze jedenfalls macht rundum Spaß und wer das gängige Formatradio satt hat, ist mit "Wien Musik 2010" bestens bedient. Besonders auffällig: Die "Hammerschmidgossn" von Ernst Molden und Willi Resetarits, sowie "Grüß Gott, ich bin das Wienerlied" vom Amadeus prämierten Duo Die Strottern und der musikalische Spaß "Istanbul darf nicht Wien werden" von Fatima Spar and the Freedom Fries. Eine runde Angelegenheit also, vor allem für Wien-Einsteiger.
Tanzmusik für Fortgeschrittene und Balladen für stille Genießer
Ganz anders die Kompilation "Migrant Music Vienna". Vier CDs prall gefüllt mit Musik aus Wien mit internationalem Hintergrund, und alleine von daher ein unweigerlich politisches Statement, fürsorglich zusammengetragen vom Radiojournalisten und Kurator Wolfgang Schlag. Zu Gehör kommt Musik aus allen Himmelsrichtungen mit allen erdenklichen Nah-Fern-Ost-und-Überseeischen Einflüssen und den wunderbarsten Melodien zwischen Tigris und Floridsdorf. 61 Bands und Solisten geben sich hier ein Stelldichein, die musikalische Bandbreite reicht von Tanzmusik für Fortgeschrittene bis zur Ballade für stille Genießer. Unverzichtbar für all jene, die sich mit World Music beschäftigen. Der kleinste gemeinsame Nenner mit "Wien Musik 2010" ist übrigens der Beitrag von Fatima Spar and the Freedom Fries. Auf beiden Kompilationen ist die Band mit "Istanbul darf nicht Wien werden" vertreten. Und das hat seinen guten Grund, hört, und ihr wisst warum. Weitere Höhepunkte in diesem 4er Packl: die jiddischen Beiträge wie z.B. jene von Gojim ("Di grine Kusine"), Geduldig & Thiemann ("Chanukka") und Mandy's Mischpoche ("Diregelt"), aber auch die Beiträge von Harri Stojka ("Bijav"), Marwan Abado ("Sohn des Südens"), Triology ("High Life"), Nim Sofyan ("Efem") und, ach!, so vieles mehr, sollte man unbedingt einmal gehört haben. Einen Ehrenplatz erhält auf dem migrantischen Sammelsurium neben Geduldig & Thiemann die Wiener Tschuschenkapelle. Während Geduldig & Thiemann die ersten waren, die wieder jüdische Musik in Wien spielten und sangen, begann mit der Wiener Tschuschenkapelle rund um Slavko Ninic die weltmusikalische Erweckung made in Vienna. Unverzichtbar. (Manfred Horak)
CD-Tipps:
Diverse Interpreten: WienMusik 2010
Musik: @@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Monkey (2010)
Diverse Interpreten: Migrant Music Vienna
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Lotus (4 CDs; 2009)