Im Rahmen des Jazzfestes wurde dem Wiener Publikum die gemeinhin wohl eher als Disko-Soul-Sängerin bekannte Künstlerin Randy Crawford präsentiert. Dass sie das nicht ist, hat vielleicht den einen oder anderen enttäuscht. Für eine Enttäuschung gab es aber auch andere Gründe.
Die Staatsoper ist schon ein eigenartiger Ort für ein betuliches Jazzkonzert. Zwar nicht zu ehrwürdig für ausgedehnte Knutschereien im Publikum, aber zu groß für Intimität und für dieses Quartett zu schlecht beschallt, als dass man angesichts der Eintrittspreise nicht aufstehen will und sein Geld zurückfordern. Das taten dann auch einige. Zumindest aufstehen und gehen. Die akustischen Bedingungen waren schlicht katastrophal. Mag sein, dass man auf dem Parkett den Gesang vernahm und das, was zwischen den Stücken gesprochen wurde. Nicht so aber auf den Rängen. Eine égalité du son sieht anders aus und das ist schon ärgerlich.
Kreuzzug gegen Genregrenzen
Den Anfang bildete Joe Sample im Trio mit Bass und Schlagzeug. Er, Pianist und Produzent, gründete einst die Crusaders, deren Sängerin eben Randy Crawford war und ist - bis heute. Die ersten fünf Stücke waren rein instrumental und, den Wurzeln der Band entsprechend, dem Jazz geschuldet - allerdings in vielen Ausprägungen: Swing, Latin, Blues, Pop. Gerade dieses Genrekreuzende und gegen feste Formen Ankämpfende war eigentlich von je her Marschroute der Band: Noch vor dem großen Durchbruch hieß sie nämlich The Jazz Crusaders. Fein waren die Soli, schön das Spiel mit der Dynamik, prädominierend das Piano, nicht zu lange die Stücke und alle besonders, dabei aber nicht schwerverdaulich. Man hätte sich am liebsten einen Mitschnitt besorgt, der am Abend das Kochen umrahmt. Dann kam die Sängerin herein und der Applaus entlud die Spannung des ungeduldigen Erwartens. Es war klar, wer hier das Zugpferd ist. Als sie jedoch einsetzte, gab es einen langen Moment des Staunens: Man hörte sie kaum. Schon die Ansagen zuvor waren kaum verständlich, dass dies aber auch beim Gesang der Fall ist, hat verwundert. Vergeblich wartete man auf eine Anpassung seitens der Tontechniker. Wie sie sang war auch erstaunlich. Noch genauso wie man es von den alten Aufnahmen kennt, also wie ein kleines Mädchen: Leicht verschämt, schüchtern, zaghaft, ein bisschen wie mit Zuckerwatte im Hals. Nur ist sie mit 58 Jahren jetzt schon ein großes Mädchen. Dass sie ebenfalls vom Jazz kommt (und nicht etwa wie die Soulkollegin Diana Ross "mal Jazz ausprobiert") bemerkte man sofort. Phrasierung und Vibrato verortete die Dame klar.
Kalte Fusion
Von Schüchternheit und insgesamt leisen Tönen geprägt war das ganze, recht kurze Programm. Ein paar aktuelle Stücke der relativ jungen Alben in vielerlei Gewand neben Klassikern: Das von Michael Bublé bekannte "Feeling good" als Calypso, "A rainy night in Georgia" als Popballade, "Me, myself and I" als klassische Jazznummer, hier ein bisschen Funk, da ein bisschen Bossa; Gospel und Rock wurden auch noch eingewechselt. Um beim Fußball zu bleiben: Joe Samples Flügelspiel war stets Richtungweisend und wies unbedingten Zug zum Swing auf. Das letzte offizielle Stück war dann (endlich) das heiß ersehnte "Street Life", der Überhit, der Randy Crawford und die Crusaders auf der ganzen Welt bekannt machte. Da aber die Bläser, Gitarre und E-Bass fehlten und der Schlagzeuger - wie den ganzen Abend - nur mit Besen seine Felle bearbeitete blieb der prägende Disko-Groove aus. Was einige trotzdem nicht davon abhielt aufzustehen und mitzuklatschen. Die hörten aber schnell wieder auf, da - welch Ironie! - sie die Band und Sängerin um ein Vielfaches an Lautstärke überboten. Auch wenn viele mit Standing Ovations die wirklich sehr sympathisch auftretende Amerikanerin verabschiedeten und dafür auch noch zwei Zugaben erhielten, so war das Dargebotene für eine Live-Leistung einfach zu lasch. Als Zuhörer bzw. Zuschauer will man auch aufgeregt werden. Der warme Applaus zu Ende war deshalb wohl eher ihrem herzlichen Wesen geschuldet und wahrscheinlich dem Nimbus des Weltstars (man vergesse nicht den anderen Hit "You might need somebody"), als wirklich der Musik und Show.
Randy Crawford hat eine schöne Stimme. Süß, aber auch leicht widerspenstig, doch eben einfach zu zart um einen umzuhauen. Eine Floskel wie "sie ist ein Schatten ihrer selbst" wäre absolut nicht angebracht. Sie hatte sicher nie mehr Tonumfang und Volumen. Schade eben, wenn man dem nicht genügend Rechnung trägt und der zahlende Gast dann die Ohren derart spitzen muss, als säße er im überfüllten Hörsaal und versuchte, trotz kaputtem Mikrofon den greisen Herrn Professor zu verstehen, der in sein Pult nuschelt. (Peter Baumgarten)
Bewertung: @@@
Kritik zum Konzert vom 2. Juli 2010 in der Wiener Staatsoper im Rahmen von Jazzfest Wien