"Herzlich willkommen im Badestadl!" So begrüßten Netnakisum am 25. März 2010 ihre Gäste auf dem Badeschiff im Rahmen der Jeunesse Wien und nahmen damit die Ironisierung des Genres "Volksmusik" gleich vorweg.
Das ehemalige Quartett ist seit 2010 nur noch zu dritt unterwegs. Ein Fehlen macht sich jedoch nicht bemerkbar - das vielleicht auch ein Grund für das eingedampfte Line-Up. Erstes Semester Betriebswirtschaft: Warum zu viert machen was man auch zu dritt schafft? Ein wenig unangenehm war der Einstieg in den Abend. Anderthalb Stunden nach dem angekündigten Beginn ging es erst richtig los, das sorgte für Unruhe. Als die drei jungen Damen dann aber in ihren stilisierten Dirndln und bunten Strumpfhosen auf die Bühne kamen, war aller Unmut schnell verflogen. Damit der Ansage auch ein Sprungbrett gegeben war, spielten sie - quasi schon beim Hereinkommen - eine Weise, die man eben im Musikantenstadl erwarten würde. Danach ein Stück im Stile des Wienerlieds, dann aber schon - kein Bruch - mehr: Rein instrumental spielten gaben die drei etwas zum Besten, was avantgardistisch war, melodisch komplex, teilweise an die Cello-Metalgruppe Apokalyptika erinnerte und auch an russische Komponisten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Für klassische Begriffe modern, aber auch gut hörbar, es droht hier nicht das gefürchtete Prädikat "interessant". Ich fühlte mich erinnert an die Player-Piano-Kompositionen Conlon Nancarrows und sehr stark auch an Musik aus ARTE-Dokumentarfilmen, sei es über Kriegsgebiete oder andere Abgründe. Dies jedoch nur ein Stück. Hervorzuheben aber deshalb, weil hier besonders deutlich wurde, was Netnakisum kann. Zum einen klanglich - es sind nur eine Geige, eine Bratsche und ein Cello. Zum anderen unterhaltend, wie z.B. Körpersprache und Grimasse. Weiters technisch - einfach war das nicht und auch kaum etwas, was an dem Abend gezeigt wurde. Und nicht zu unterschlagen kompositorisch - nicht nur das Komplizierte war schön kontrapunktisch, auch der gefälligere Teil des Programms. Der Innovativität der Kompositionen ist der Unterhaltungswert dieser Gruppe zu verdanken und eben auch der volle dichte Klang, der nicht den Eindruck erweckte, als sei da "nur" ein Streichtrio am Werk. Aus dem im Laufe des Jahres veröffentlichten Bergdrama in zwei Akten: Das Geheimnis der Alpenstube spielten uns die drei Steirerinnen die Ouvertüre und tatsächlich, im Kopf lief schon ein Alpenfilm der frühen Farbfilm-Ära ab. Überhaupt konnte man den Eindruck gewinnen, Filmmusiken hätten großen Einfluss geübt auf das schreiberische Schaffen von Netnakisum. Für viele verschiedene Stimmungen und Situationen hätte dieser Abend Bildstützendes Material hergegeben. Ich bin sicher, in den großen Zeiten des Stummfilms hätten MGM und Universal die drei Musikerinnen samt Instrumenten in Gold aufgewogen. Nicht vergessen werden soll die sängerische Leistung des Terzetts. Beinahe jede Nummer enthielt auch eine "Vocal Performance": Vom mehrstimmigen Heimatlied über das Jodeln und auch Beatboxing war alles geboten und sorgte mehr noch als virtuose Einlagen an den Instrumenten für Begeisterung beim Publikum. Gerade deshalb möchte ich gerne unterstreichen: Magdalena Zenz (Violine), Linde Gansch aka deeLinde (Cello) und Marie-theres Härtel (Viola) sind absolute Vollprofis. Und absolut cool. Ansonsten wäre ein Auftritt im Rahmen der Jeunesse mit dieser Nonchalance und zementierten Intonation nicht zu bewältigen gewesen. Nicht nur was das Schreiben von Musik angeht ist das Terzett experimentierfreudig, auch das Adaptieren von Stoffen und Texten. Ein wirklicher Knaller war die Neuinterpretation von "Junge Leute brauchen Liebe", einem Nana Gualdi-Schlager aus dem Jahre 1958. Auf dem Zeitstrahl beinahe ein halbes Jahrhundert weiter: Britney Spears "Toxic", das die Beatqualitäten von unter dem hartnäckigen Verdacht der Biederkeit stehenden Streichinstrumenten aufzeigte. Spätestens hier war das Badestadl vergessen und der Anspruch eher: Rock the Boat! Nach einer Stunde war schon Schluss. Wohl das Privileg dessen, der warten lassen kann. Er kann auch entlassen wann er will. (Peter Baumgarten) Bewertung: @@@@@ |
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