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karen-asatrian-dervishMusik als Lebenselixier der Hoffnung, Mystik und Kulturgeschichtliches thematisierend. "Dervish" vom in Österreich lebenden armenischen Pianisten Karen Asatrian vereint all dies. Hymnische Tanzmusik, umgesetzt mit der Jazz-Motorik, fein zelebriert von den armenischen Spiritisten rund um Saxofonist Wolfgang Puschnig.



Die Andachtsübungen im Album eröffnenden Titelstück zeichnen sich durch ekstatischen Tanz unter Flötenbegleitung aus. Erzählt wird dabei in (viel zu kurzen) fünf Minuten die Legende über die tanzenden Derwische - benannt nach den Mitgliedern der islamischen Orden, in denen die Mystik des Sufismus gepflegt wurde, die übrigens heute noch in der Türkei verboten sind. Nonverbal, mit unbändiger Kraft und einem Feuerwerk an Rhythmik und Melodienreichtum. Überhaupt scheint der rote Faden des Albums die Hommage an Legenden zu sein, so heißt denn auch das zweite Stück "The Legend of the Red Stone", rund um die heilende Wirkung von Tuff-Gestein und rund um die Stichwörter Berg Ararat und Arche Noah. Und noch zwei weitere Legenden, denen auf dem Album Tribut gezollt wird: Andranik Pasha (armenischer Freiheitskämpfer) und Thelonious Monk (amerikanischer Jazz-Musiker). Hört euch mal die Anfangssequenz von "Doctor Monk" an als Paradebeispiel wie man als Musikkonsument regelrecht in ein Musikstück hineingezogen werden kann. Karen Asatrian, der bei allen Stücken als Komponist angeführt ist und am Piano, Keyboard und auch als Sänger überzeugt, weiß wie man Geschichten erzählt, was nicht allzu sehr verwundern sollte, schließlich wurde um das Jahr 400 die armenische Schrift geschaffen, die noch heute in Gebrauch ist. Seither gibt es eine armenische Literatur, die somit eine der ältesten Literatursprachen des christlichen Kulturkreises ist. Wobei Asatrian auf eine konkrete Sprache verzichtet (ausgenommen beim Lied "Caravan"), Sängerin Ali Gaggl darf, wie z.B. im Märchen von "Hamov Hotov" den Nonverbalismus ausleben, in dem Fall als quasi zweite Erzählstimme neben Puschnigs Saxofon- und Flötenspiel (Bamboo-Flute, Zurna). Das armenisch-kärntnerische Zusammenspiel lässt jedenfalls aufhorchen. Mit dabei sind übrigens auch noch die wunderbaren Musiker Juan Carlos Sungurlian (Oud, Bouzouki, Gitarre), Herfried Knapp (Bass), Reinhart Winkler (Drums) und Ismael Barrios (Percussion), die im Kollektiv für Stimmungsvielfalt sorgen, aber auch hervorragende Soli abliefern. In Summe ergibt "Dervish" einen satten Sound, bei dem man mitunter mehr Musiker vermutet als tatsächlich mitwirken. Das Herzstück des Albums ist neben dem Titelstück sicherlich "Caravan" (Broadlahn lässt grüßen!), wobei die fröhliche Soundstruktur über die zugrunde liegende Erzählung hinwegtäuscht. "Caravan" handelt vom Genozid, der zwischen 1915 und 1923 an Millionen von Armeniern begangen wurde. Asatrians Großvater war Zeitzeuge und führte die Karawane der Flüchtlinge an. Und hier setzt auch die Musik an als Reflexion alter Geschichten über tanzende Derwische, geheime Gärten und Orte voller Frieden und Einigkeit. Nicht der Glaube sollte verloren werden, sondern das Leben gewonnen. Sehr spektakulär. Sehr spirituell. Ganz großes Album. (Manfred Horak)

CD-Tipp:

Karen Asatrian & Armenian Spirit – Dervish
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Emarcy/Universal (2009)