Beinahe zehn Jahre sind vergangen, seit Joni Mitchell ihr letztes Album mit neuen Songs veröffentlichte. Taming The Tiger entstand 1998. Danach brachte die poetische Songschreiberin mit Both Sides Now (2000) noch ein Album heraus, auf dem sie, begleitet von großen Orchestern, vorwiegend Jazzstandards interpretierte, und 2002 schließlich Travelogue, ein Doppelalbum mit Neuinterpretationen älterer Eigenkompositionen. Danach ließ Joni Mitchell verlautbaren, dass sie vom Musikbusiness die Nase gestrichen voll habe.
Einer befreundeten britischen Kollegin vertraute sie sogar an, dass sie die Musik selbst mittlerweile hasse. Dass sie nun dennoch wieder zur Musik zurückfand, verdanken wir Jean Grand-Maître, dem künstlerischen Leiter des Alberta Ballet, der für ein gewissermaßen autobiographisches Ballett mit dem Arbeitstitel Dancing Joni Songs von Joni Mitchell verwenden wollte und die Künstlerin bat, die Auswahl vorzunehmen.
Es kam, wie es kommen musste: Joni suchte nicht nur alte Songs aus, sondern schrieb gleich auch ein paar neue - und kam dabei wieder auf den Geschmack. Unter dem Titel The Fiddle And The Drum wurde das Projekt im Februar 2007 im kanadischen Calgary uraufgeführt. Und zwei der neuen Songs, die Joni damals für das Ballett-Projekt schrieb, finden sich nun auch auf ihrem neuen Album Shine wieder. Für den ersten dieser beiden Songs vertonte die Ausnahmesängerin "If", ihr Lieblingsgedicht des in Indien geborenen britischen Schriftstellers Rudyard Kipling. Dem anderen Song - "If I Had A Heart" - bescheinigte der Kritiker der New York Times, der die Ballett-Aufführung miterlebt hatte, dass er "eine der eindringlichsten Melodien, die sie je geschrieben hat", besäße.
Für das Ballett wurde außerdem der aus den 1970er Jahren stammende Mitchell-Song "Big Yellow Taxi" überarbeitet. Auch er befindet sich nun neben einer Reihe von neuen Kompositionen auf dem Album "Shine", mit dem Joni Mitchell beweist, dass sie nichts von ihrem musikalischen, poetischen und politischen Biss eingebüßt hat. Zu den Höhepunkten von "Shine" gehören neben den bereits genannten Nummern außerdem noch das Titelstück (das auch hervorragend ins Repertoire einer Abbey Lincoln passen würde) und "Night Of The Iguana".
Für jemanden, der noch vor ein paar Jahren meinte, dass er die Musik zu hassen gelernt habe, schreibt Joni Mitchell erstaunlich gefühlvolle Songs. So liest sich die Geschichte von "Shine" wenn sie von ihrem Label verfasst wird. Die Fans klingen ähnlich: "Wenn die große - mittlerweile auch schon etwas ältere - Dame der Musik nun doch noch eine neue CD herausbringt, lacht einem das Herz. Vieles spielt sie selbst am Synthesizer ein und einige der großen Namen holte sie sich dazu: Pedal-Steel-Gitarrist Greg Leisz, Bassist Larry Klein, Schlagzeuger Brian Blade, Perkussionist Paulinho da Costa, Saxophonist Bob Sheppard und Special Guest James Taylor. Herz was willst du mehr. Joni ist und bleibt unerreicht und man kann nur hoffen, dass sie uns noch viele Platten in der Zukunft schenken wird. Und ganz nebenbei hat Herbie Hancock auch gleichzeitig eine CD herausgebracht, auf der er das Werk von Joni Mitchell ein Denkmal setzt. Danke!
Lange Zeit schien es so, als ob Joni Mitchell endgültig der Musik abgeschworen hätte. Zu tief saß die Verärgerung über die erschreckenden Veränderungen innerhalb der Musikbranche und darüber, wer sich heutzutage alles als "Künstler" bezeichnen darf. Doch nun ist es soweit. Joni kehrt nach 10 langen Jahren zurück, jedoch nicht mit einem Knall, sondern so wie es sich für eine wahre Künstlerin gehört: Mit ganz viel Stil!" Tatsächlich klingt Joni Mitchell auf "Shine" weder frustriert noch verärgert, sie klingt so wie sie immer geklungen hat. Es sind Songs mit Herz und Seele die sie interpretiert, es sind Songs die ganz einfach zeitlos sind und die die Wiederauferstehung einer der ganz Großen belegen. (akro)
CD-Tipp:
Musik: @@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Universal (2007)