Die "junge geile Muschi", die für Michel Houellebecq und seinen traurigen Helden einmal mehr das Zentrum ihrer Welt darstellt, ist dem verfallenden männlichen Körper immer weniger zugänglich.
Die obskure Sekte der Elohimiten, die sich dem Weiterleben der Menschheit durch Klonen verschrieben hat, veranlasst Daniel, diesen seinen Lebensbericht für kommende Generationen seiner verbesserten Klone abzulegen. Daniels Leben besteht im Wesentlichen aus vier Phasen. Er scheffelt sagenhaften Reichtum als Brachialkomiker, heiratet Isabelle, tauscht sie gegen die jüngere Esther aus und einem weinerlichen Endstadium, nachdem die wesentlich jüngere Esther den zunehmend Impotenten im Rahmen dieses Romans zwingend logisch verlässt.
Schiefe Spiele
Die Klone ziehen daraus den Schluss, Körperkontakt gänzlich zu vermeiden, sich sauber photosynthetisch zu ernähren und generell heftigeren Leidenschaften und Empfindungen abzuschwören. Wenig überraschend geht dieses Vorhaben um das Jahr 4000, nach mehreren globalen Katastrophen, letztlich auch schief. Houllebecqs Buch ist mitunter durchaus witzig. Er bietet einen scharfen Blick auf Spielarten der Gegenwart und scheut sich nicht vor Peinlichkeiten seiner Protagonisten. Er hat einen langen Atem als Erzähler ohne geschwätzig zu wirken. Sagen wir so: Für uns souveräne Leserschaft lohnt die Lektüre an einem langen Urlaubstag, an dem wir nichts Anderes tun wollen.
Sexistische Augen
Um genauere wie umfassendere Reflexion seiner Worte wie Inhalte ist Houllebecq nicht bemüht, obwohl manche seiner literarischen Zitate vermuten lassen, er könnte es besser wissen. Ein frecher Sager geht allemal vor einen präziseren Gedanken. Sein ständiges, sexistisches Auge nervt, ja, auch Frauen werden älter. Deren und gesellschaftliche Ansprüche entwickeln sich, auch der, dass Männer ins Sozialleben Empathie und Engagement einzubringen haben. Vielleicht soll diese Leerstelle die Über-Drüber-Komik des Spaßvogels Daniel markieren. Es nervt aber auch Houllebecqs Attitüde als auktorialer Romancier des 19. Jahrhunderts. Nun, die FAZ erkannte im Autor einen leidenschaftlichen Romantiker. Vermutlich suchen im Grund Konservative nach Liebe noch immer an den falschen Stellen. (Monika Gentner)
Michel Houellebecq - Die Möglichkeit einer Insel
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rororo Taschenbuch (2007)
Roman
494 Seiten