Idealismus pur: Eine Lebensbeschreibung und Weltentwurf.
Idealisten und Moralisten
„Lebensbeschreibung eines Idealisten“, so der Untertitel des im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erschienenen Roman des slowenischen Autors Ivan Cankar. Der Held des Romans ist wahrhaftig ein Idealist – einer, der es nicht gerade leicht hat im Leben weiterzukommen (er ist Lehrer und wird ständig versetzt, weil er als Revoluzzer gilt), vor allem nicht in der Provinz. Aber, bitte schön, wo endet die Provinz? Geografisch wohl nirgends, wenn, dann im Kopf. Ivan Cankar schuf, ähnlich wie in Deutschland Erich Kästner mit seinem idealistischen Moralisten „Fabian“, eine Romanfigur, die zum Scheitern verurteilt ist. Mache er, was er wolle, komme, was wolle. Man darf sich halt nicht gegen die Obrigkeit stellen und schon gar nicht gegen jene, „die immer stärker sein werden“. Schließlich sollte man auch auf die (gutgemeinten?) Ratschläge besser hören: „Wozu das Ganze? Das bringt doch nichts. Sie werden die Welt nicht ändern können.“ Na, dann macht es halt ein anderer für mich, für uns. Die Zeiten ändern sich (und das ständig), sang bekanntermaßen Bob Dylan 1964, aber SO ändern sich die Zeiten halt auch wieder nicht. Und so, wie es Idealisten gibt, die für eine bessere Welt gegen einen unsichtbaren Gegner namens System anrennen und sich dabei immer und immer wieder eine Platzwunde am Kopf einhandeln, so gibt es diejenigen, die für das System und wider den Idealismus vorgehen und es sich richten. Und so wie es diese beiden (oft verhärteten) Fronten gibt, gibt es jene, die es mit einem Idealisten zwar gut meinen, tatsächlich ihn aber umzudrehen versuchen, die so genannten Systemintegrierer, die nicht selten Intriganten sind.
Ja, mit all jenen hat ein Martin Kacur zu tun. Ivan Cankar gelang mit diesem Roman so etwas ähnliches wie ein Weltentwurf über Diskrepanzen, Verleumdungen, Täuschungen, Irrlichtern, Glaube, liberales Denken, Revolutionsgedanken, Spießertum, Mitläufer, Humanismus, Liebe, Eitelkeit – und, ach ja, kurzum, über das Leben halt. Und dies in einer wundervollen literarischen Sprache, die zwar bereits ein Jahrhundert alt ist, sich aber gleichzeitig so frisch und jung liest wie die Blütenpracht im letzten Frühjahr. (Manfred Horak)
@@@@@@
Drava Verlag
Übersetzt aus dem Slowenischen von Erwin Köstler
Gebunden, 2006
240 Seiten
ISBN: 3-85435-457-6