Der Sachbuchautor ("Die Globalisierungsfalle", "Bittere Pillen") und frühere unabhängige EU-Parlamentarier (bis 2014) Hans-Peter Martin veröffentlicht mit "Game Over" einen weiteren vermeintlichen Bestseller.

 

Wohlstand für wenige

Wer regelmäßig Zeitung liest, ist geballte Ladungen an schlechten Nachrichten gewohnt. Trotzdem empfiehlt es sich, Hans-Peter Martins neuestes Buch "Game Over", das Ende September 2018 im Penguin Verlag erschienen ist, nur häppchenweise zu lesen, wenn man nicht gänzlich verzweifeln will. Das Buch liest sich nämlich wie ein "Best of..." aller schlechten Nachrichten der letzten Jahre und bündelt deren verstörendsten Elemente zu einer Dystopie der Zukunft (und leider in vielerlei Hinsicht auch schon Gegenwart).

Demokratie für niemand

"Game Over" nimmt einen mit auf eine weltweite Reise durch die politischen und ökonomischen Entwicklungen unserer Zeit. Angefangen beim zu erwartenden Systemcrash der Weltwirtschaft und den unsicheren Zukunftsaussichten, die unser Leben begleiten, bis hin zu den Gefahren der Globalisierung (auf die Hans-Peter Martin schon in seinem 1996 erschienen Buch "Die Globalisierungsfalle" hingewiesen hat), bis hin zum Erstarken der neonationalen Elemente, die sich - vor allem in Europa, aber auch weltweit - breit machen.

Nationalismus für alle

Interessant ist hierbei zum Beispiel eine kurze Analyse der "sieben europäischen Zwickmühlen", wie Martin sie nennt, die unter anderem die wachsende Digitalisierung bzw. Automatisierung durch Roboter und das damit einhergehende massenhafte Verschwinden von Arbeitsplätzen (so sollen je nach Berechnungen innerhalb der nächsten zehn bis zwanzig Jahre bis zu zwei Millionen Österreicher/innen ihre Jobs an Computer verlieren) sowie eine fehlende gemeinsame Wirtschaftspolitik der Europäischen Union kritisieren. Ebenso der wachsende Einfluss von chinesischen Investoren in der europäischen Wirtschaft und eine immer mehr zunehmende Überwachung der Bürger/innen stellen laut Hans-Peter Martin große Gefahren für den europäischen Kontinent dar. Was sich in fast jedem Kapitel als grundlegender Feind der Demokratie herausstellt, ist der Neoliberalismus und seine Auswüchse. So wächst die Ungleichheit in neoliberal regierten Ländern ungemein schneller und fördert letztendlich das Erstarken von autokratischen Systemen.

Und dann?

Teilweise kommt "Game Over" etwas gar zu negativ und schwarzmalerisch daher. Gegen Ende des Buches zeigt sich aber, dass Martin auch Idealismus kann, indem er Lösungsvorschläge für ein besseres Miteinander und eine weiterführende Demokratisierung unserer Gesellschaft vorstellt. Als wichtig erachtet er zum Beispiel, sich nicht mehr in seine Blase zurückzuziehen und sich in arroganter Rechthaberei zu wiegen, sondern zu reden, reden, reden. Und zwar jeder mit jedem. Außerdem sollte es den Bürgern leichter gemacht werden, Schritt für Schritt die Kontrolle über die eigenen Daten zurückgewinnen (in der DSGVO sieht Martin nur einen unzureichenden, viel zu bürokratischen Versuch diesem Kontrollverlust beizukommen), und, ganz wichtig: den Sozialstaat wieder erstarken lassen, den Finanzmarkt bändigen und die Reichsten der Gesellschaft in die Pflicht nehmen und dafür sorgen, dass auch und gerade sie Steuern zahlen. Hans-Peter Martin gelang ein lehrreiches, notwendiges Sachbuch, dass trotz seines großen Informationsgehalts eine sehr kurzweilige Lektüre darstellt. //

Text: Christina Masarei
Foto: Videostill - Hans-Peter Martin über Steuerflüchtlinge und Flüchtlinge

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Buch-Tipp:
Hans-Peter Martin: Game Over
Bewertung: @@@@
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag 384 Seiten
ISBN: 978-3-328-60023-7
Verlag: Penguin Verlag / Randomhouse (2018)

Veranstaltungs-Tipp:
05.12.2018 | 18:00 Uhr | Wien
Offener Salon
Im Gespräch mit Renée Schröder
Festsaal des Österreichischen Touristik Clubs
Bäckerstrasse 16, 1010 Wien
Eine Veranstaltung des Bildungsvereines Offene Gesellschaft
Eintritt frei