Als die chilenische Schriftstellerin Isabel Allende sich am Abend des 18. September 2007 im Gläsernen Saal des Musikverein Wien dem österreichischen Publikum stellte, um aus ihrem neuen Roman Inés meines Herzens (Suhrkamp; 2007) vorzulesen, gelang es ihr sofort die Zuhörer in ihren Bann zu ziehen. Das überwiegend weibliche Publikum, meist mit einem Exemplar des aktuellen Romans gewappnet, erfreute sich knapp eineinhalb Stunden des Anblicks dieser kleinen, aber eindrucksvollen Erscheinung. Nach ihrem Besuch beim Dalai Lama im Kloster Melk, kam die Autorin direkt vom Flugplatz in den Wiener Musikverein. Offensichtlich erschöpft von der langen Reise und den unzähligen Lesungen der letzten Wochen, begrüßte sie ihre Wiener Leserinnen.
Der Großteil der Lesung wurde von der Schauspielerin Hannelore Hoger, die vor allem für die Darstellung starker und resoluter Frauencharaktere bekannt ist, bestritten. Mit der ihr eigenen Akzentuierung und der charakteristischen, rauchigen Stimme trug sie einige Textpassagen aus dem Werk "Inés meines Herzens" vor, dem sie auch für das Hörspiel (Der Hörbuchverlag; 2007) ihre Stimme leiht. Isabel Allende, die selbst zwei kurze Passagen aus ihrem neuen Buch vorlas (selbstverständlich aus dem spanischen Originaltext), saß neben Hannelore Hoger und lauschte geduldig einer Sprache, die sie nicht versteht. Ohne große Emotionen und in recht rasantem Tempo verlief der solide geplante Abend in gemäßigter Stimmung. Zwar war das Publikum von den beiden eindrucksvollen Frauen durchaus begeistert, dennoch schien dem Abend ein recht kühler Charakter zugrunde zu liegen, denn weder Publikum noch Leserinnen wurden so richtig warm miteinander. Die weltbekannte Schriftstellerin wurde trotz ihrer etwas distanzierten Haltung ehrerbietig und freundlich aufgenommen.
Das im Anschluss an die Lesung stattgefundene Interview, welches von Heinz Sichrovsky geleitet wurde, schien vollkommen improvisiert und unprofessionell. Sichrovsky, dem Allendes Werke offenbar nicht besonders geläufig sind, stellte kaum Fragen zu dem neuen Werk Allendes, sondern konzentrierte sich vor allem auf weltpolitische Fragen, die Allende vorerst höflich beantwortete, später aber mit dem Kommentar zurückwies, dass sie nicht die Präsidentin der Vereinigten Staaten sei und deshalb auch keine wirkungsvolle Idee zur Lösung der politischen Probleme im Irak hätte. Auch vom Publikum dazu angehalten, sich wieder anderen Themen zuzuwenden, gelang es dem Interviewer später doch, wenn auch sehr oberflächlich, Fragen zu Allendes Werk zu stellen. Die Fragen schon zu oft gehört und vermutlich schon tausende Male beantwortet, erzählte sie dem Auditorium von den autobiografischen Aspekten ihrer Werke und von der kathartischen Wirkung des Schreibens.
Mit dem Hinweis auf ihr neuestes Buch Suma de los días, welches sehr persönliche Aspekte des Lebens von Allende in Kalifornien behandelt und das vermutlich erst 2008 im deutschen Sprachraum erscheinen wird, beendete sie das Interview und widmete sich den unzähligen Autogramm-Wünschen der Leserinnen. (Text: Carina Kerschbaumsteiner; Foto: Jerry Bauer)