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frida-kahlo-2010Der 1. September 2010 ist ein denkwürdiges Datum für Kunstinteressierte. Mit der Eröffnung der ersten umfassenden Frida Kahlo Retrospektive in Österreich, strömen die Besucher ins Bank Austria Kunstforum Wien und Kahlo macht ihrem Ruf als Quotenbringerin alle Ehre. Zu sehen bis 5. Dezember 2010.


Dass sich so viele für Frida interessieren, liegt nicht nur am gleichnamigen Hollywoodfilm, sondern auch daran, dass Ausstellungen von Kahlos Oeuvre in Europa schwierig zu realisieren und deshalb selten zu sehen sind. Obwohl sie hier besonders verehrt wird, sind ihre Werke in europäischen Sammlungen nur spärlich vertreten; zudem zählt das Werkverzeichnis der Künstlerin nur 143 Gemälde. Man sollte sich diese Gelegenheit also nicht entgehen lassen.

Lebensgeschichte in Bildern

Beim Betreten der Ausstellungsräumlichkeiten wird man von dem berühmten Gesicht mit den zusammengewachsenen Augenbrauen begrüßt, das den Besucher von der gegenüberliegenden Wand mustert. Schon an diesem Werk - dem ersten Gemälde von Kahlo überhaupt - kann man erkennen, was später ihr künstlerisches Oeuvre dominieren wird: ihre eigene Person. Die Lebensgeschichte der Künstlerin bietet sich geradezu an, in Bildern verarbeitet zu werden. Ein schwerer Unfall im Alter von 18 Jahren brachte sie nicht nur zur Malerei, mit den gesundheitlichen Folgen hatte sie ihr Leben lang zu kämpfen. Sie litt an physischer und vor allem in späteren Jahren auch an psychischer Labilität. Im Streben nach künstlerischer Anerkennung musste sie sich gegen ihren viel erfolgreicheren Mann Diego Riviera durchsetzen. Nicht von ungefähr fasziniert sie also spätestens seit der Verfilmung ihrer Lebensgeschichte die Massen als tragische Figur.

Mythos Frida Kahlo

Tatsächlich besteht Frida Kahlos Werk zu einem großen Teil aus Selbstbildnissen. Sich selbst in Szene zu setzen verstand sie nicht nur in ihren Bildern, sondern auch im Leben. Der Mythos Frida Kahlo entstand durch sorgfältige Selbstinszenierung und davon lebt er bis heute. Die Künstlerin machte ihre eigene Vita zu einem zentralen Thema ihres Schaffens. Naturgemäß wird das auch in der Ausstellung deutlich. Ihr Porträt dominiert die Wände des Bank Austria Kunstforums. Die 140 Exponate bieten trotzdem einen eindrucksvollen Querschnitt durch das Schaffen Kahlos, die zwar von einer grundsätzlichen Zerrissenheit bestimmt war, aber dennoch - oder gerade deshalb - eine enorme künstlerische Entwicklung vorweisen kann. Ihre Bilder sprechen oft eine sehr persönliche Sprache. Die Werke legen Zeugnis ab über das intensive Auseinandersetzen der Künstlerin mit sich selbst und ihrer Umwelt. So naiv ihre Bilder wirken wollen, von eben so großer Symbolkraft sind sie. Kahlo ist eine Surrealistin par excellence. Neben ihren eigenen Werken wird eine Auswahl von Fotografien gezeigt, die das Leben Frida Kahlos dokumentieren. Außerdem werden auf einem Bildschirm Ausschnitte ihres Tagebuches gezeigt. Diese beinah intime Heranführung an die Person Frida Kahlo ist hochinteressant, aber gleichzeitig auch voyeuristisch. Wenn am Ausgang eine Fotografie Kahlos am Totenbett den Besucher verabschiedet hat man ein bisschen das Gefühl, im Leben Kahlos ein Stück (zu) weit mit ihr gegangen zu sein.

Meisterin der Selbstinszenierung

Manch einer möchte nun vielleicht kritisieren, dass die Ausstellung die Person, nicht aber die Künstlerin Frida Kahlo inszeniert. Das jedoch ist so nicht richtig, denn Kahlo wird nicht inszeniert, sondern war eine Meisterin der Selbstinszenierung und diese Kraft wirkt bis heute. Ihr Werk aber nur unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten, würde der Künstlerin nicht gerecht. Die Retrospektive "Frida Kahlo" bietet eine gelungene Einführung in die Lebenswelt einer bemerkenswerten Persönlichkeit. Das nämlich war Frida Kahlo in mehr als einer Hinsicht. Aktive Kommunistin, polarisierende Künstlerin, Vorreiterin des Feminismus. Nach diesem gelungenen Auftakt wäre das nächste Ziel, Kahlo einmal vom selbst kreierten Mythos befreit zu sehen - vielleicht ausgestellt in einem der vielen anderen Kontexte, für die sie Anhaltspunkte bietet. (Text: Denise Karnthaler; Fotos: leisure)

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Ausstellungs-Tipp:
Frida Kahlo
Bewertung: @@@@@
Bank Austria Kunstforum Wien
Freyung 8, 1010 Wien
1. September bis 5. Dezember 2010
Öffnungszeiten: Täglich 10 – 19 Uhr, Freitag 10 – 21 Uhr

Podcast Interview mit Ingried Brugger (Direktorin BA Kunstforum Wien) über Frida Kahlo
Zur Ausstellung ist auch ein Katalog (Prestel Verlag) erhältlich.