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Anthropozän
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Wir Menschen sind doch so was von toll, wir schaffen komplexe Vorgänge, können, dem Urknall auf der Spur, bis weit in die Vergangenheit blicken [und manche sogar in die Zukunft, Stichwort Zukunftsforscher, wobei ein Zukunftsforscher, Karlheinz Steinmüller, einmal relativierend meinte: "Prognosen machen wir ganz selten. Wir haben da eher den Spruch von Mark Twain verinnerlicht: 'Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.'"; Anm.], kreieren nicht nur Kunst, sondern auch Kunststoff, quasi einen Plastic Planet; wir verformen ganze Landstriche und wir sind ein Hort an Experten. Blöd nur, dass wir Experten an Überheblichkeit leiden und tatsächlich glauben unzerstörbares zum Wohle der Menschheit schaffen zu können - ob zu Lasten der Natur ist dabei sekundär, wie uns Tiefseebohrungen oder eben todsichere Atomkraftwerke zeigen. All dies gehört übrigens genauso ins Zeitalter der Menschen (Anthropozän) wie die Begriffe "Lebensstandard" und "Technologie". Wenn man diese zwei Faktoren und die Bevölkerungszahl miteinander multipliziert ergibt sich der Einfluss der Menschen, also wie der Mensch die Welt verändert (ausführlich nachzulesen in der März 2011-Ausgabe von National Geographic).
Kunst und Kultur bzw. Künstler an sich sind dabei oft Reflektoren, Spiegelvorhalter, Warner. Rio Reiser z.B. schrieb 1987 das Lied "Wann" (zu hören auf seinem Album Blinder Passagier): "Du sagst, du willst die Welt nicht ändern, und ich frag mich, wie machst Du das nur? / Du bist doch kein Geist in der Flasche und du bist auch kein Loch in der Natur. / Denn nach jedem Schritt, den du gehst und nach jedem Wort, das du sagt, / Und nach jedem Bissen, den du ißt, ist die Welt anders als sie vorher war. […] Du sagst, du willst die Welt nicht retten, das ist dir alles ne Nummer zu groß. / Und die Weltenretter war'n schon so oft da, nur die meisten verschlimmern's bloß. / Und doch fragt mich jeder neue Tag, auf welcher Seite ich steh. / Und ich schaff's einfach nicht, einfach zuzusehen, wie alles den Berg runtergeht. […] Du sagst, du willst die Welt nicht ändern, dann tun's eben andere für dich. / Und der Wald, in dem du vor Jahren noch gespielt hast, hat plötzlich ein steinernes Gesicht. / Und die Wiese, auf der du gerade noch liegst, ist morgen ne Autobahn. / Und wenn du jemals wieder zurückkommst, fängst alles wieder von vorne an. / Wann, wenn nicht jetzt? / Wo, wenn nicht hier? / Wie, wenn ohne Liebe? / Wer, wenn nicht wir?"
In diesem Sinne wünscht die Redaktion eine spannende und möglichst strahlenfreie Kulturwoche. (mh)
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