"In Wien sollen Kunst und Kultur für alle zugänglich sein", sagt der Wiener Kulturstadtrat Mailath-Pokorny und finanziert also ein Popfestival. Die Idee, der heimischen Musikszene ein Popfestival zu geben ist ja löblich und vielleicht sogar dringend notwendig gewesen. Der Ansatz, ein derartiges Musikfestival gegen gratis Eintritt zu realisieren ist hingegen mehr als seltsam. Welcher Eindruck wird dadurch erweckt? Dass die hiesige Popszene keinen Cent wert ist? - In den großen Medien werden sie ja schließlich auch weitestgehend negiert. [Nur Venezuela und Neuseeland senden im öffentlich-rechtlichen Radio noch weniger Musik aus eigener Produktion als die Musiknation Österreich. Anm.] Dabei wäre es doch so einfach z.B. gestaffelte Eintrittsgelder zu verlangen. Darüber hinaus gibt es - für Menschen mit finanziellen Engpässen - auch den Kulturpass Hunger auf Kunst und Kultur, der u. a. beim Jazzfest Wien, beim Wienerlied Festival wean hean und beim Akkordeonfestival anerkannt wird, sowie bei unzähligen anderen Kultureinrichtungen quer durch alle Sparten, und sozial benachteiligten Menschen den freien Eintritt ermöglicht. Denn, ja, es ist ein Grundrecht, dass Menschen am kulturellen Leben teilnehmen dürfen, dieses Recht ist sogar in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. Wir wissen freilich auch, dass sich Popkonzerte nicht alle leisten können, aber dieses Schicksal trifft zum Glück nicht jeden. Warum also kein Eintrittsgeld verlangen? Aus Mangel an Selbstbewusstsein? Schließlich lebt ein Drittel der Kulturschaffenden in Österreich unter der Armutsgrenze, das heißt zwar nicht, dass sie verhungern müssen, aber fast. Vielleicht will die SPÖ Wien mit dem Popfest aber einfach auch nur ein zweites Donauinselfest etablieren, eines mitten in der Stadt. Die Antwort liegt in der Zukunft, aber möglicherweise auch bereits in einer Aussage von Initiator Christoph Möderndorfer: "Das Erneuerungspotenzial einer jungen heimischen Popgeneration mit der positiven Entwicklung des Kunstplatz Karlsplatz synergetisch kurzzuschließen, das war unser erklärtes Ziel - und es ist gelungen." Jo, eh, wobei man eines niemals vergessen sollte: Pop ist nicht Politik, aber mit Pop kann Politik erträglicher werden. (Text: Manfred Horak; Fotos: Sarah Haas, karlsplatz.org)
Kurz-Infos: 1. Popfest Wien 38 Konzerte von 6. bis 9. Mai 2010
Donnerstag, 6. Mai Wien Museum, ab 22 Uhr Eröffnungsnacht mit Paper Bird, Sir Tralala, Live-Popmuseum mit Direktor Wolfgang Kos & Popfest-Kurator Robert Rotifer, PauT
Freitag, 7. Mai Kunsthalle project space, 12 Uhr Popfest-Sessions - Diskussionen & Workshops & Live Artists Technische Universität, ab 23 Uhr Ginga, Affine Records-Showcase mit The Clonious, JSBL, Spezialgast I-Wolf und Ogris Debris
Samstag, 8. Mai Kunsthalle project space, 12 Uhr Popfest-Sessions - Diskussionen & Workshops & Live Artists Technische Universität, ab 23 Uhr Velojet, Aber das Leben Lebt, Problembär Records-Showcase mit Astro Panda, mob, Neuschnee, Parkwächter Harlekin und Literatur-Pausen von Lukas Meschik
Sonntag, 9. Mai Seebühne, 13 Uhr Brunch mit dem Kurator: Robert Rotifer "spielt außer Konkurrenz" ein Konzert mit Freunden, darunter auch das vielversprechende neue Songwriting-Talent Mel. Technische Universität - Hof 1, ab 16 Uhr Siluh Records-Showcase mit Mimu at Nite, Killed by 9V Batteries und Francis International Airport Wien Museum ab 22 Uhr Das Trojanische Pferd, Songs of Claire Madison, Seayou/Fettkakao Records-Showcase mit Vortex Rex und A Thousand Fuegos
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