Wien ist sicher eine sichere Stadt in Europa. Das heißt, "ziemlich sicher". Die Festwochen holen einen Profi aus Deutschland - Schorsch Kamerun, dem früheren Sänger der Fun-Punk-Band Die Goldenen Zitronen - um der Sache auf den Grund zu gehen. Bei verschiedenen Veranstaltungen und vor Ort wurde zum Thema Sicherheit recherchiert, ein Überprüfungsspaziergang durch den zweiten Wiener Gemeindebezirk wurde bei diesem technisch aufwändigen Abend zwischen Klamauk und Ernst inszeniert.
Und damit das so bleibt, gibt es die Behörde. Das musste auch Schorsch Kamerun lernen und seinen musikalischen Überprüfungsspaziergang durch den zweiten Bezirk in letzter Minute umkrempeln. Überhaupt treiben die Festwochen hier großen Aufwand für ein wenig mehr Sicherheitsgefühl. Die Vorstellung beginnt im Haus der Begegnung. Zu all dem hängt stets Musik in der Luft Bevor es dann endlich hinaus geht in die gefährliche Leopoldstadt, bekommt jeder Zuschauer einen Sicherheitsbeutel. Darin ist neben Regenschutz, Holzspatel, Kabelbindern, Metallschwamm und Wachhund auf der Rückseite der Roger-Feder-Gedenkkarte das Inszenierungskonzept hingekritzelt. So beliebig wie diese Zusammenstellung, die nicht weiter erklärt wird, sind auch die Szenen, die auf dem nun folgenden Spaziergang über die Praterstraße geboten werden. Irgendwie hat alles mit Wien oder Sicherheit zu tun und irgendwie ist das alles ganz lustig oder zumindest informativ. Der Profi reitet auf den Schultern seines Trägers Amadeus voran. Es wird die "Afrikanergasse" in "Deutschgasse" umbenannt [vgl. dazu "Die letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus; Anm.], dann gibt es ein paar Eckdaten zur jüdischen Geschichte der Mazzesinsel vom Verein Steine der Erinnerung (Dr. Elisabeth Ben David-Hindler) und einen Gang durch die Schutzkirche St. Johann Nepomuk. Zu all dem hängt stets Musik in der Luft, entweder vom Publikumsdienst aus mitgetragenen Kassettenrecordern oder live vom Balkon. Du siehst gut aus. Ich bin hier mit dir. Du bist hier mit mir. Eine kleine Wandschmiererei wird zum Anlass für Wiener Aktionismus. Das kann heutzutage keinen mehr schockieren. Das sagt der Experte auch, während er sich auszieht und Eier an den Kopf schlägt. Die Drohung, gleich einer Frau die Zunge in den Hals zu stecken, nimmt keiner ernst, auch wenn Fabian Hinrichs jetzt etwas ekelig aussieht. Stattdessen wird kollektiv wiederholt: "Du siehst gut aus. Ich bin hier mit dir. Du bist hier mit mir." Man fühlt sich bereits sicher. Und das ist der Zweck der Übung.
Weiter geht's zu einer grässlichen Wunde im Wiener Sicherheitssystem, dem Z-Schlüssel. Damit kommt man in jedes zweite Haus. Es folgt ein Live-Versuch des Profis. Vanja im Rokokokostüm erzählt von ihrer Unsicherheit zu einer Zeit, als Briefbomben im Land verschickt wurden und ihr Familienname noch mit "ic" geendet hat. Heute heißt sie selber Fuchs. An anderer Stelle wird ein Witz erzählt, plötzlich fliegen Sachen aus dem Fenster. Ein Glück dass wir rechtzeitig stehen geblieben sind - "Humor kann Leben retten". Der ganze Abend schwankt zwischen Klamauk und Ernst. Bei der Abschlusskundgebung im Haus der Begegnung gibt es dann noch ein bisschen Punklärm von Schorsch Kamerun himself. Wir fühlen uns jetzt urunglaublichsicher. Und das ist doch auch schon was. (Text: Christine Koblitz; Fotos: Heribert Corn) Kurz-Infos: INSZENIERUNG / Schorsch Kamerun MIT: Fabian Hinrichs, Schorsch Kamerun, Marco Maurer, Julia Burger, Vanja Fuchs, Sina Gentsch, Marco Maurer, Almut Wagner, Anne-Kathrine Münnich, Dr. Elisabeth Ben David-Hindler Violine 1 / Jürgen Partaj |
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