Der Karmelitermarkt ist einer der ältesten ständigen Märkte Wiens. Ein Fleck kultureller und farblicher Vielfalt im Grätzl einer der vielen Bobo-Hochburgen Wiens. Eine eingeschweißte Ortschaft, die den Supermärkten trotzt.
33 Grad, mitten in der Großstadt, die Sonne brennt auf den heißen Asphalt. Jeder auffindbare Sonnenschirm ist aufgespannt, die bestehenden Klimaanlagen laufen auf Hochtouren. Die anwesenden Menschen wirken langsam, ruhig, erschöpft von der Hitze. Trotz allem wirkt am Karmelitermarkt ein buntes Treiben. Jedoch nicht in menschlicher Form. Der historische Wiener Markt kann in einem Wort beschrieben werden: farbenfroh. Um den Platz herum türmen sich hellblaue, gelbe, grüne und rote Häuser. Vereinzelt blinzelt der Jugendstil hervor und verleiht dem Ganzen einen architektonischen Glanz. Die einzelnen Marktstände bedienen sich an der ganzen Farbpalette und hauchen der eigentlich tristen Asphaltoase die nötige Lebendigkeit ein.
Eine Ortschaft in der Millionenstadt
Im Karmeliterviertel in der Leopoldstadt ist es aber nicht nur farbenfroh, sondern auch kulturell vielfältig. In der Geräuschkulisse vermischen sich mehrere, teils unzuordenbare Sprachen und verbildlichen einen Austausch unterschiedlichster Kulturen. "Der Markt ist ein Zulauf, da kommen alle her", berichtet die Floristin Brigitte Horngacher. Seit über 30 Jahren ist der Karmelitermarkt ihr beruflicher Lebensmittelpunkt. "Hier am Karmelitermarkt, da kennen sich alle. Wir sind wie eine kleine Ortschaft", verrät die Geschäftsinhaberin stolz sitzend zwischen ihren bunten Blumen. Von Lilie bis Orchidee, von Topfpflanzen bis Blumenstrauß, lässt sich in ihrem kleinen Marktstand alles Nötige finden, um den grünen Daumen zu fordern. Inhaberin eines der wenigen standhaften Häuschen am Markt zu sein, ist jedoch kein leichtes Unterfangen: "Ich habe das Häuschen damals für eine halbe Millionen Schilling gekauft. Um das Geld haben sich andere Einfamilienhäuser in Grinzing geholt. Alle Häuschen hier am Markt sind Eigentum." Wie eine kleine Gemeinde im zweiten Gemeindebezirk.
Die Asphaltoase
Der Karmelitermarkt ist jedoch nicht nur umgeben und belebt von bunter Baukunst, sondern eigentlich auch offen für vielfältige Veranstaltungen. "Wir hatten früher sogar einen Verein mit über 100 Mitglieder. Da haben wir Kürbisschnitzen oder Vogelscheuchen-Wettbewerbe veranstaltet. Leider wurde dieser Verein mittlerweile aufgelöst", schwelgt die Floristin in der jüngeren Vergangenheit. Ein Relikt vergangener Zeiten, welche die Marktleitung aber wieder spürbar beleben möchte. Im Verlauf diesen Jahres hat es bereits einen Perchtenlauf auf dem Karmelitermarkt gegeben, es wurde eine Veranstaltung der Grünen Partei zur EU-Wahl abgehalten und eine Comic Convention durfte sich im bunten Nest des Marktes niederlassen. Genau das findet auch die 70-jährige Wienerin toll, denn "es ist gut, wenn was gemacht wird. Es muss einfach richtig beworben werden." Auch Stammkunden des Marktes begrüßen den mitgebrachten Schwung solcher Veranstaltungen: "Der Perchtenlauf war super und hat sehr viel Spaß gemacht", meint ein Ehepaar, welches bereits seit 52 Jahren am Markt wohnt und diesen regelmäßig besucht. Leider scheint nicht nur die Euphorie und positive Aufnahme solcher Events zur Marktleitung durchzudringen: "Den Perchtenlauf werden sie nächstes Jahr nicht wiederholen. Dieses Jahr haben die verkleideten Perchten im Anschluss an den Lauf in den vielen Lokalen des Marktes ausgiebig konsumiert. Diese Kostümerie hat der Marktverwaltung nicht gefallen", erzählt die Inhaberin des kleinen Beisl 6er Haus enttäuscht. Generell stoßen so manche Vorschriften aus dem Häuschen der Marktverwaltung bei leidenschaftlichen Standler und Standlerinnen auf Verwunderung. "Wir hätten gerne einen viel grüneren Karmelitermarkt, aber bei den Blumen gibt es derartig einengende Vorgaben, das ist unverständlich", kritisiert die Inhaberin des urigen Wiener Beisl, die lediglich ihre Gastronomie aufhübschen möchte.
Das falsche Einsparen
Eine noch größere Herausforderung als die schwer zu gestaltende Begrünung der Betonlandschaft ist jedoch die Teuerung und Inflation. Vor ungefähr fünf Jahren wurde in Bobostan (Zusammensetzung aus Bourgeoisie und Bohème), wie der hippe und bunte Stadtteil der Wiener Leopoldstand gerne genannt wird, ein neuer Spar eröffnet. Direkt um die Ecke der bunten Hochburg. Wo "früher die Leute für alles gekommen sind, gehen sie jetzt zum Spar", meint die Betreiberin des Wiener Traditionsmarktstandes Geflügel Tubic. Im von ihr als "wunderschön" bezeichneten bunten Karmelitermarkt mache sie die Arbeit zwar "gerne für die Kunden", empfindet diese aber als "hart" und steht auch kurz vor dem Verkauf des eigenen Standes. Viele Menschen laufen schlichtweg an der Vielfalt des Marktes vorbei und biegen in den Supermarkt. Trotzdem gibt es Stammkunden, die zur Varianz des Marktes halten: "Ja der Markt ist teuer, mir ist das aber wurscht, ich lebe ja alleine", meint eine ältere Dame, die seit 25 Jahren fast jeden Tag über die Asphaltoase stolziert. //
Text und Fotos: Tobias Schwaiger
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