Zwei konträre österreichische Filme sind derzeit im Kino zu sehen, die einige Fragen aufwerfen. Ist es wirklich aus mit den Utopien vom freien, selbstbestimmten Leben? Ist das Glück einer Frau doch nur abhängig von einer funktionierenden Beziehung, ihrer sexuellen Attraktivität bzw. Kindern? Ist der Mann hauptsächlich glücklich, wenn er politisch agitieren, sich positionieren, diskutieren kann? Will ich, oder muss ich das sogar getrennt voneinander sehen?!
Fallen
Seltsames Gefühl, wenn so viele junge Frauen, Mitte/Ende 30, egal ob vor oder hinter der Kamera, ihre junge „Entwicklung“ betrachten und dabei keinerlei Perspektiven zur Verfügung stellen. Die Regisseurin, Autorin und Produzentin, Barbara Albert, wollte sich in ihrem neusten Film „Fallen“ ganz auf die Atmosphäre konzentrieren, die durch das Spiel ihrer Schauspielerinnen entsteht, unterstützt von hollywoodscher Dramaturgie und schönen Bildern. Nur leider erscheint dieser Fokus auf rein weibliche Themen eigenartig mager. Es ist fast erschreckend wie sehr die Themen der Frauen nicht über ihren traditionellen Horizont hinausreichen. Von „Hast was mit eam ghabt?“ zu „Was weißt denn du über mein Leben.“ wird leider nicht viel mehr zur Verfügung gestellt.
Bullenritt im Brautkleid
Der Plot ist bewußt einfach konstruiert: ein Lehrer stirbt, er war noch recht jung – die Ex-Schülerinnen und Schüler treffen sich bei der Beerdigung nach längerer Zeit in ihrem Heimatort wieder. Die Automatismen beginnen, denn: in Kirchen darf man nicht lachen und Dorfgaststätten sind dunkel - Feste haben zwar unterschiedliche Anlässe, sind aber immer (be)rauschend - Hochzeitsgesellschaften tanzen wild, nicht mehr in Heuschobern, sondern in Groß-Discos.
All das erleben wir aus der Perspektive einer österreichischen Mädchen-Clique, die gemeinsam ihre „alten Plätze“ besucht. Damals wollten sie frei sein. Sie gingen auf Demos - „Und?! Habts was verändert?!“ - und waren natürlich in ihren Lehrer verliebt. „Er hat mir dir getanzt.“ „Mit dir auch! Ich weiß es noch genau!“ - „Hast was mit eam ghabt?“ „Ja.“ „Ich auch.“ „Ich weiß.“ Es wurden und werden Photos gemacht, weil: „sonst hast ja nichts, woran du dich erinnern kannst.“ Ist das so?!
Frauen-Themen
War das jetzt die Auseinandersetzung mit den letzten 15 Jahren?! Mit dem: wie definiere ich mein Leben? Was muß ich leisten, um zu überleben? Wie würde ich sein, wenn ich könnte wie ich wollte? Die Frauen erinnern sich in schönen Bildern, an Orten von damals mit Menschen von früher und erscheinen typgerecht: eine Liebhaberin ist schwanger ohne Freund (Nina Proll), eine Aktivistin steht als Lehrerin allein (Birgit Minichmayr), eine Karrierefrau lebt im Ausland und ist einsam (Katrin Resetarits), eine Angestellte macht sich mal frei (Ursula Strauss), eine junge Mutter hat total versagt (Gabriela Hegedüs). Sie fahren Auto, hören Musik, singen mit. Sex, Drugs and Rock´n Roll – „Samma scho da?“ „Wo?!“
Alles ist wie früher, dabei wollten doch alle ganz anders sein!
Freundschaft
„Ganz anders“ ist es, wenn der Vater mit dem Sohn den Onkel Peppi - „das rote Urgestein“ - beerdigen. Wenn der Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur, Rupert Henning, sich mit einer „total politischen Privatangelegenheit“ beschäftigt.
Henning hat sich bewußt dafür entschieden, aus seinem mit Florian Scheuba geschriebenen Theaterstück „Freundschaft“, eine möglichst intime, einprägsame Film-Erzählung zu machen. Trotz dem ständig genutzten Mittel der Satire ist es kein „Kabarettfilm“. Dafür ist die Authenzität der Situationen zu stark im Vordergrund. Leider wünscht man sich auf der großen Leinwand trotzdem ab und zu mehr Abstand zu den Protagonisten, und auch zur Diskussion, als es das wortgewaltige „Stück“ gewährt. Ein guter Grund die nächste Theater-Aufführung nicht zu verpassen.
Männer-Themen
Wenn der Sohn sich mit dem Vater und der Vater mit dem Sohn auseinandersetzt, dann wird geredet und geredet ohne Punkt und Komma. Nachgehakt und nochmal in Frage gestellt. „Mann“ denkt zwar mal kurz zurück: „Warum SIE ihn wohl verlassen hat?!“ - um sofort weiter zu reden, und zu reden, wofür es sich zu kämpfen lohnt, und wofür nicht - rein politisch, aber auch ganz allgemein ...
Klima schaffen
„Was von uns für die Sexualität geleistet wurd, wird ja gar net ausgenutzt.“ sagt der Vater, der Exbürgermeister einer Kleinstadt, der Eigenheimbesitzer, der sozialistische Parteigenosse (sehr überzeugend gespielt von Erwin Steinhauer) seinem Sohn, dem Werbefachmann, dem Stadtappartment-Bewohner, dem selbständigen Jungunternehmer (unerbittlich argumentiert von Rupert Henning).
Es geht in „Freundschaft“ um die Auseinandersetzung von zwei Generationen, um die Frage nach dem Sinn und Unsinn des Klassenkampfs. Um das Prinzip Freundschaft - angeprangert als unzulässige „Freunderlwirtschaft“, gegen das Prinzip Gerechtigkeit - repräsentiert durch „temporär flexible Interessensgemeinschaften“.
Es geht um Gesinnung oder nicht Gesinnung, Rapid oder kein Fußball, Politik gleich Protektion, Sicherheit gleich Geld, Kapitalismuskritik - um die Grillparty als moderne Betriebsratsitzung von Einzelunternehmern. (Stephanie Lang)
------- Film-Infos -------
Preise
„Freundschaft“, das Theaterstück, wurde mit dem Österreichischen Kleinkunstpreis 2004 und gemeinsam mit zwei anderen Produktionen des Rabenhof Theaters mit dem Nestroy 2005 für die beste Off-Produktion ausgezeichnet.
Chancen
Der Film „Fallen“ – „Falling“ von Barbar Albert feierte in Venedig als Wettbewerbsbeitrag Weltpremiere. Er wurde zum besonders prestigeträchtigen New York-Filmfestival geladen und läuft in Toronto unter der Rubrik „Zeitgenössisches Weltkino“.
Statements der Filmemacher
"Das Thema würde ich als die Suche dem verlorenen Paradies bezeichenen; weniger pathetisch ausgedrückt, die Frage nach der Vision, der Utopie. Es geht um das Aufwachen in der Realität - und die Frage, ob damit zwangsweise eine Resignation einher geht." sagt Barbara Albert.
„Wir waren darum bemüht, uns der Mittel der Satire zu bedienen, weil diese bekanntlich das auszugraben vermag, was das Pathos zugeschüttet hat. Pathos, hehre Ideale und große Illusionen gibt es genug im Zusammenhang zwischen "hoher Politik" und dem "realen Leben" - meint Rupert Henning.
Statements der Protagonistinnen und Protagonisten
Die Frauen sagen: „Und wie geht´s dir in echt?“ „Lässt Du Dich herab mit mir zu reden?!“ - „Die Gegenwelt existiert eh schon.“
Die Männer konstatieren: „War ein tolles Konzept für nix und wieder nix“ „Wann die scheiß Politik net gwesen war, wär die Mama no´ da.“