Als Synonym für den Kampf gegen die Klimakrise, das seit 2018 ein Gesicht bekommen hat, steht Greta Thunberg. In der Doku I am Greta portraitiert Regisseur Nathan Grossmann die Umweltaktivistin.
Längst ist die Umweltaktivistin ein medialer Star, der polarisiert. Ihr zartes, zorniges Antlitz blickt uns derzeit von Plakaten an und lässt unmittelbar die Vermutung aufkommen, dass man hier einen Dokumentarfilm erwarten kann, der durch die Ikonisierung und Mystifizierung der weltberühmten Schwedin sich in die Reihe des Unterhaltungskinos eingliedern kann. Nun gut, die Direktheit und Eindringlichkeit, für die Greta Thunberg steht, mögen in dieser epischen Aufmachung vielleicht noch mitschwingen, doch das hollywoodesque Emblem zwingt einem Sci-Fi/Horror-Assoziationen auf. Und lockt auf die falsche Fährte.
Was I AM GRETA wirklich bedeutet...
Ein Dokumentarfilm über die Initiatorin der #FridaysForFuture-Bewegung, die sich nicht scheute, Staatsoberhäupter aller Welt ihrer Unfähigkeit direkt zu beschuldigen, läuft Gefahr durch eine dramatisierte Phänomenisierung ihrer Persona, nur als eine billige Ausbeutung ihrer Medienöffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Als Persönlichkeit ist die Menschenrechtspreisträgerin umstritten: blutjung und anprangernd, unangenehm und einflussreich, mutig und unbeirrt. Doch Regisseur Nathan Grossman hat es geschafft, ein Porträt dieser weltberühmten Klimaaktivistin zu kreieren, welches die Bedeutung hinter den Worten des Filmtitels "I am Greta" verdeutlicht. Es ist ihm gelungen, ein authentisches Bild der mit Asperger-Syndrom diagnostizierten Berühmtheit zu zeichnen. Auch Greta selbst war besorgt, eine unechte Version von ihr sehen zu müssen. "Als sie sich den Film ansah, sagte sie, dass sie sich selbst wiedererkannte. Es war ein entscheidender Moment, sie das sagen zu hören", erzählt Grossman über die Erfahrung mit Greta. Seit Anbeginn ihrer Reise begleitete der Jungregisseur das scheue Mädchen, von ihrem ersten Sitzstreik vor dem schwedischen Parlament bis zur Atlantiküberquerung zum UN-Klimagipfel in New York. Dadurch begleitet das Publikum Greta Thunberg um die Welt, in ihre Welt, bei ihren Reden über die Welt und ihren Märschen für die Welt. Und nie sollte es um sie gehen, sondern immer um unsere Welt.
...und worum es gehen sollte
Die meisten Menschen, denen Greta Thunberg auf ihrem Weg begegnet, die sie einladen, ihre Hand schütteln, lobend auf die Schulter klopfen und um Selfies bitten, sind Fans des Phänomens Greta. Doch das bedingt die Frustration der Schülerin: viel medialer Tamtam und keine fundamentalen Veränderungen. "I don't care about being popular", erinnert sie in dem filmischen Porträt über ihre Person, dass es nicht darum geht, Freund oder Feind des Mädchens mit den Zöpfen zu sein. Es war nie das Ziel, ein medialer Star zu werden, sondern an die Klimaziele zu erinnern. Das Engagement galt von Anfang an der Aufklärung und dem Aufruf zur Aktion. Also ist natürlich die Frage, warum man nicht mehr hard facts rund um die nahende Klimakrise in einen potenziell aufsehenerregenden Film integriert, um das Abstraktum Klimakrise nicht länger mit einer jungen Frau zu assoziieren, sondern mit ausgebrannten Waldflächen, Überflutungen und Artensterben. Natürlich fallen hier und da Stichworte wie Erosion, Versauerung der Meere und CO2- Emissionen, doch der Aufklärungsaspekt hinsichtlich der tatsächlichen Thematik lässt zu wünschen übrig. Denn sollte es in einem Film über Greta Thunberg nicht zuallererst um die verheerenden Ausmaße der Klimakrise gehen?
Die Doku transportiert Greta Thunbergs Essenz
Nichtsdestotrotz ist es nicht zu leugnen, dass die Schwedin eine ungemeine Medienwirksamkeit hat, die vor allem in diesen Zeiten von unfassbarer Bedeutung ist. Nur durch sie, die neue Ikone des Umweltaktionismus, kann während einer entsetzlichen Krise auf eine weiterhin existierende, entsetzliche Krise aufmerksam gemacht werden. Bewegend und emotionalisierend - die Dokumentation "I am Greta" transportiert Greta Thunbergs Essenz. Darüber waren sich auch die TeilnehmerInnen der Podiumsdiskussion im Rahmen der Pressevorstellung zu I AM GRETA einig. Es ist von größter Notwendigkeit, dass dieser Film jetzt Aufmerksamkeit generiert, denn es ist noch ein weiter, unangenehmer und harter Weg bis zur Klimaneutralität. Am 15.10.2020 prämiert I AM GRETA im Rahmen der Initiative #kinodenktweiter im Gartenbaukino, für die sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen angemeldet hat, und läuft ab 16.10.2020 im Kino an. //
Text: © Greta Kogler
Fotos: © Greta Kogler; Filmstills © Stadtkino Filmverleih
"Dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben!" - so lautet die Devise, auf die sich die Gäste am Podium einigen, wenn es sich um den Kampf gegen das Klima geht.
Von links: Anna Khoudokormova (Fridays For Future), DI Beate Zöchmeister, MAS (WEB Windenergie AG), , Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA (Abgeordneter zum Nationalrat, Sprecher für Budget & Steuern, Die Grünen); Von rechts: Dr. Ulrich Streibl (Vorstand der oekostrom AG), Wiktoria Pelzer (Stadtkino Filmverleih/ Stadtkino im Künstlerhaus) und Antonia Stabinger (Flüsterzweieck; Moderation).
KINOSTART: 16.10.2020
Regie: Nathan Grossmann
Kamera: Nathan Grossman
Schnitt: Hanna Lejonqvist, Charlotte Landelius
Ton: Johan Johnson, Andreas Franck
Musik: Jon Ekstrand and Rebekka Karijord
Verleih: Stadtkinowien