Gehört, gesehen. Foto: NGF

"Gehört, gesehen. Ein Radiofilm" gehört gesehen wie Ö1 gehört gehört - ganz nach dem Motto des erfolgreichsten Kulturradiosenders Europas.

Gehört, gesehen, Filmkritik geschrieben.

Die beiden Regisseure Jakob Brossmann und David Paede haben sich als langjährige Ö1-Hörer mit ihrer Dokumentation das Ziel gesetzt, ein positives Beispiel für die Rolle der Medien darzulegen, wie sie im Ö1-Morgenjournal vom 20.3.2019 erklären. In "Gehört, gesehen" wird dem Publikum ein tiefer Einblick in ein normalerweise nicht sichtbares Medium geboten und die weite Bandbreite des kulturellen Angebots des Senders einmal mehr unterstrichen. Insofern kann der Film durchaus als Liebeserklärung an den öffentlich-rechtlichen Radiosender gesehen werden.

Radio wird transparent gemacht

Gehört, gesehen 1Durch den Blick hinter den Lautsprecher und das Mikrofon lernt man in Gehört, gesehen auch das Personal kennen, das ebenso wie der Großteil der Hörerschaft zur einer eher gereiften Personengruppe zu zählen ist. Das liegt mit Sicherheit auch an der hohen Qualität der Ö1-Beiträge, die erfahrene und kompetente Redakteure voraussetzen. Zwangsläufig bringt das aber auch das eine oder andere schwarze Schaf mit sich, das sich zu sehr an die Vergangenheit klammert und wenig aufgeschlossen auf zukunftsorientierte Veränderungen reagiert. Aber genau solche haben sich zu Beginn des Gehört, gesehen Filmprojekts angekündigt und es erst angeregt. Dies ist im Film vor allem in den zahlreichen Sitzungen mit dem Senderchef Peter Klein und den Redakteuren spürbar, in denen immer wieder über die Zukunft des Kultursenders diskutiert und entschieden wird. "Gehört, gesehen" verschreibt sich unter anderem nämlich auch auf eine erhöhte Transparenz, die man sich in vielen anderen Bereichen wie zum Beispiel der Politik nur wünschen kann.

Kann Journalismus zu kritisch sein?

Die gegenwärtige politische Situation in Österreich hat ebenfalls dazu geführt, dass Ö1 nun - neben allen anderen öffentlich-rechtlichen Programmen - um seine Zukunft bangen muss. Grund dafür ist die Verhandlung eines neuen ORF-Gesetzes, das die Unabhängigkeit und (Meinungs-)Freiheit der Sender gefährdet. Die Wichtigkeit eines solch unabhängigen und kritischen Mediums wie Ö1 kann jedoch nicht zu oft unterstrichen werden und der Film Gehört, gesehen tut das auch auf unterschiedlichen Ebenen, wie zum Beispiel mit der Aufzeichnung der Rede des österreichischen Denkers Robert Menasse bei der Gala zum 50-jährigen Jubiläum des Kultursenders im Jahre 2017. Der runde Geburtstag gab außerdem Anlass für erfreuliche Umgestaltungen wie zum Beispiel das Design eines neuen Logos oder die Komposition einer neuen Ö1-Signation. Letztere wurde vom steirischen Komponisten Christian Muthspiel neu konzipiert und bei der Jubiläumsgala mit Live-Orchester präsentiert.

Emotionserzeugende Dokumentation

Es finden kaum Kamerabewegungen statt. Als stiller Beobachter sollte die Kamera vermutlich nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich lenken, um die Akteure des Radios möglichst authentisch auf Bild festhalten zu können; und das gelingt auch. Ohne Interviews und Erzähler hat das Filmteam es geschafft, einen roten Faden durch die breite Ö1 Landschaft zu ziehen und das Publikum emotional daran zu binden. Auf der einen Seite erzeugt "Gehört, gesehen" in den Noch-nicht-Ö1-Mitgliedern ein schlechtes Gewissen und appelliert an ihre kulturelle Neugier und auf der anderen Seite klopft er den treuen Unterstützern, die mit zur 'Rettung' des Kulturguts beigetragen haben und weiterhin tun, auf die Schulter.

Ö1 lebt weiter

Die Hauptaussage des Films Gehört, gesehen könnte man folgendermaßen paraphrasieren: Das Kulturgut Ö1 darf nicht von der Bildfläche bzw. aus der Radiofrequenz verschwinden; mithilfe des Films und laut Peter Klein wird es das auch nicht: "Ö1 ist das Moos, das alles überlebt.". Mit der Übersiedelung des Kultursenders aus dem ORF Funkhaus stehen jedoch erneut drastische Veränderungen an. //

Text: Nina Isele
Fotos: NGF

Gehört, gesehen 2

Film-Tipp:
Gehört, gesehen. Ein Radiofilm
Bewertung: @@@@
Regie und Buch: Jakob Brossmann, David Paede
Kamera: Jakob Brossmann, David Paede, Barbara Sas
Schnitt: Alexandra Schneider
Originalton: Jakob Brossmann, David Paede, Andreas Ladik, David Ruhmer
Produktion: NGF Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH
Kinostart: 24.5.2019

Diese Filmkritik entstand beim Workshop "Filmkritiken schreiben" im Rahmen der Diagonale 2019 unter der Leitung von Manfred Horak (Kulturwoche.at) in Kooperation mit Diagonale - Festival des österreichischen Films, Kulturwoche.at, Kleine Zeitung, Die Furche, Celluloid Filmmagazin und Radio Helsinki. Bei Radio Helsinki entstand mit der Moderatorin Irene Meinitzer auch nachfolgende 60-minütige Live-Sendung .