Mit dem von der Diagonale 2019 zum besten Kurzspielfilm prämiierten Ene Mene gibt die Regisseurin Raphaela Schmid der Trauer 20 Minuten Raum ohne von ihr abzuweichen.
Ene Mene, ich glaub, ich bin dem Universum scheißegal.
Isabellas krebskranke Tochter starb vor einem Jahr. Gemeinsam mit ihrer kleineren Tochter und der Schwester, verbringt sie Annas Geburtstag das erste Mal ohne Anna. Die kahlen weißen Mauern des großen Hauses sind umgeben von einem stürmischen Wind. In der Küche dekoriert Isabella penibel den Geburtstagskuchen von Anna. Es wird, derselbe wie letztes Jahr. Sie würde sich im exakten nachmodellieren verlieren, wäre da nicht Franka ihre Schwester. Welche Isabella überreden will einem Kurs beizutreten, der einem das Steuern von Gedanken mit den Gefühlen beibringen soll. Franka möchte, dass Isabella trotz der Umstände das positive im Leben nicht aus den Augen verliert. "Ich glaub, das Universum ist jedem Wohlgesonnt." Isabella kann die Gedanken und Worte ihrer Schwester nur schwer nachvollziehen. Sie, die Mutter deren Kind gestorben ist fühlt sich mehr als nur ungerecht behandelt. Warum passierte diese Tragödie auch ausgerechnet ihrer Familie? "Ich glaub, ich bin dem Universum scheißegal."
Von der Unbarmherzigkeit des Lebens
Mit den Gefühlen der kleineren Tochter Paula kann Franka besser umgehen, als mit denen von Isabella. Vermutlich sogar besser als Isabella selbst. Man kann natürlich annehmen, dass eine Mutter ihr Kind in einer Krise noch mehr unterstützen sollte. Doch Isabella hat mit der Überwältigung ihrer eigenen Trauer zu kämpfen. Die Spuren des Kummers zeichnen ihren abgemagerten und blassen Körper. Franka hingegen verschafft Paula mit Hexensprüchen und Fantasie, einen Ausweg von der Unbarmherzigkeit des Lebens. Sogar als am selben Tag auch noch der Hamster stirbt übernimmt Franka das Trösten von Paula.
Traurigkeit auch ohne Tränen
Die Regisseurin Raphaela Schmid schafft es mit ihrem Film Traurigkeit auch ohne Tränen darzustellen. Von Beginn an ist man mit einer trägen Atmosphäre konfrontiert, die einem das Gefühl von Ohnmacht veranschaulicht. Als hätte der Film selbst gerade geweint. Im Laufe von Ene Mene stellt man fest, dass es nicht nur eine Art zu trauern gibt. Raphaela Schmid verschönert weder das heikle Thema Verlust noch verliert sie sich in Hoffnungslosigkeit. Ene Mene zeigt außerdem wie Kinder mit das Thema Tod verarbeiten und wahrnehmen. Paula wächst mit dem Bewusstsein des Sterbens auf. Mit ihrer kindlichen Naivität eckt sie ungewollt bei ihrer Mutter an. Als im Kurzfilm alle drei am Tisch sitzen, um Annas Kuchen anzuschneiden fragt sie ahnungslos: "Und wer bläst jetzt die Kerzen aus?" Oft versucht man den unschönen Dingen im Leben so gut es geht auszuweichen. Wäre es nicht viel wichtiger öfters über den Tod nachzudenken? Möglicherweise würde man nicht mehr hilflos von seinen Auswirkungen überw.ältigt werden. Schließlich gibt es kein Leben ohne das Sterben. Ene Mene gibt der Trauer 20 Minuten Raum ohne von ihr abzuweichen. 20 Minuten wird man Traurigkeit doch zulassen dürfen. //
Text: Hanna Fuchs
Fotos: Simone Hart
Diese Filmkritik entstand beim Workshop "Filmkritiken schreiben" im Rahmen der Diagonale 2019 unter der Leitung von Manfred Horak (Kulturwoche.at) in Kooperation mit Diagonale - Festival des österreichischen Films, Kulturwoche.at, Kleine Zeitung, Die Furche, Celluloid Filmmagazin und Radio Helsinki. Bei Radio Helsinki entstand mit der Moderatorin Irene Meinitzer auch nachfolgende 60-minütige Live-Sendung .
Film-Tipp:
Ene Mene
Bewertung: @@@@@
Regie und Buch: Raphaela Schmid
Kamera: Simone Hart
Mit: Alexandra Gottschlich, Lisa Kärcher, Lola Koszednar
Filmakademie Wien
Kurzspielfilm, AT 2019, 20 min