Ein unscheinbares, zerbrechliches Mädchen trifft auf ein trügerisches Familienidyll. Nach Stella ist nichts mehr so, wie es vorher war.
Anna (Martina Gedeck) und Richard (Matthias Brandt) führen das Vorzeigeleben schlechthin. Finanziell gut situiert wohnen sie zusammen mit ihren beiden Kindern in einem schicken Haus in der Vorstadt. Das Familienglück scheint intakt - bis Stella in ihr Leben tritt. Zart, zerbrechlich, einer Puppe gleich, und doch so unterschwellig penetrant.
Julian Roman Pölslers Verfilmung von Marlen Haushofers Novelle zeigt die Geschichte einer jungen Studentin, die zum ersten Mal in ihrem Leben mit ihrer Weiblichkeit konfrontiert wird. Eine scheinbar harmlose Entwicklung, jedoch eine Kraft gleich einer Naturgewalt mit sich führend, die droht, das Familienidyll in den Abgrund zu reißen.
Selbstanklage aus der Retroperspektive
Die Handlung wird rückblickend aus der Perspektive Annas erzählt. Sie erinnert sich an Stellas Geschichte und bringt ihre Gedanken mithilfe einer Schreibmaschine zu Papier. Sie schreibt gegen das Vergessen, rekonstruiert das Geschehene. Anna will aufarbeiten, doch ist dies vermutlich ein Prozess, der sie ihr restliches Leben lang begleiten wird. Goldener Käfig Bereits zu Beginn des Films liegt eine greifbare Spannung in der Luft. Die Aufnahmen von Haus und Landschaft sind überaus beeindruckend, jedoch wirken die Farben beinahe zu grell und aufgesetzt, ja beinahe zu intensiv. Man bekommt ein Familienidyll serviert, dessen weiße Weste etwas Trügerisches auf den Plan ruft. Auch die scheinbar glückliche Anna führt ein alles andere als glanzvolles Leben. Nach außen hin mimt sie die zufriedene Ehefrau, in Wahrheit ist sie jedoch in einem häuslichen Machtgefüge gefangen. Das einzig Glanzvolle in ihrem Leben sind die Stäbe des goldenen Käfigs, der sie umgibt.
Man soll im Glashaus nicht mit Steinen werfen
Pölslers Verfilmung schafft 98 Minuten Unbehaglichkeit, die einen von der ersten bis zur letzten Szene begleitet und noch aus dem Kinosaal hinaus nachwirkt. Der Regisseur meistert gekonnt den Spagat zwischen Alltagsszenario und ständiger Bedrohung und misst der Handlung das Bild einer tickenden Zeitbombe bei, die droht, jede Sekunde zu explodieren. Am 14.03.2018 wurde "Wir töten Stella" im Rahmen der Diagonale gezeigt. //
Text: Katharina Hoi
Fotos: Hubert Mican: epo-film
Diese Filmkritik entstand beim Workshop "Filmkritiken schreiben" im Rahmen der Diagonale 2018 unter der Leitung von Manfred Horak (Kulturwoche.at) in Kooperation mit Diagonale - Festival des österreichischen Films, Kleine Zeitung und Radio Helsinki. Bei Radio Helsinki entstand mit der Moderatorin Irene Meinitzer auch nachfolgende 60-minütige Live-Sendung.
Film-Info:
Wir töten Stella
Bewertung: @@@@@
Spielfilm, AT 2017, 98 min, OmeU
Regie und Buch: Julian R. Pölsler
Darsteller/innen: Martina Gedeck, Matthias Brandt, Mala Emde
Kamera: J. R. P. Artman, Walter Kindler
Schnitt: Bettina Mazakarini
Originalton: Walter Fiklocki
Szenenbild: Enid Löser
Kostüm: Ingrid Leibezeder
Produzent/innen: Dieter Pochlatko, Julian Pölsler
Produktion: epo-film
Koproduktion: Juwel Film