Der Film ist gerettet. € 75.500,- waren notwendig, € 86.294,- kamen zustande. 713 Unterstützer sorgten für diesen Erfolg, einen kleinen Beitrag dazu leistete auch Kulturwoche.at. Eigentlich hätte in diesem speziellen Fall die Republik Österreich in die Pflicht genommen werden müssen, denn schließlich handelt es sich um ein kulturelles Erbe, um einen Film, den man zudem fast schon als Mahnmal bezeichnen kann: "Die Stadt ohne Juden" aus dem Jahr 1924. Anstelle dessen musste die Crowd einspringen, ihren Beitrag zur Filmrettung zu leisten, frei nach dem Motto "Save The Past For The Future". Die Rettungsmaßnahme war deshalb so ungemein notwendig, da es sich - der damaligen Zeit entsprechend - um einen Nitrozellulose-, Nitrat- oder Zellhornfilm handelt. Brandgefährlicher Sprengstoff also, da selbst entzündbar (unter ungünstigen Bedingungen bereits ab 38° C). Zugleich beschleunigt saure Luft den Zersetzungsprozess des Zelluloids. Um die Zersetzung zu vermeiden, und ein Filmduplikat auf Sicherheitsfilm anzufertigen bzw. eine Digitalisierung in bester Qualität vornehmen zu können, war eine rasche Finanzierung erforderlich, die nun gesichert ist. Jetzt gilt es rasch zu handeln und mit der Restaurierung zu beginnen, damit "Die Stadt ohne Juden" nach Jahrzehnten erstmals in voller Länge wieder vorgeführt werden kann.

"Sonst pflegten bei ähnlichen Demonstrationen hier und dort Leute mit gebogener Nase oder besonders schwarzem Haar weidlich verprügelt zu werden, diesmal kam es zu keinem solchen Zwischenfall, denn Jüdisches war weit und breit nicht zu sehen." (Hugo Bettauer)

Der Film war als eine utopische Satire gedacht, entpuppte sich mit Fortdauer der Zeitgeschichte jedoch als prophetisch, so verharmlosend der Regisseur Hans Karl Breslauer die Literaturvorlage von Hugo Bettauer auch verfilmte. Der Roman "Die Stadt ohne Juden. Ein Roman von übermorgen" erschien 1922 und erreichte eine Auflage von über 250.000 Stück und bereits der Roman ist "erstaunlich gedankenlos, in den gleichen Juden-Stereotypen befangen, mit denen der Antisemitismus seine Propaganda auflud", wie Der Spiegel anno 1982 aus einer zeitlich bedingten völlig anderen Perspektive schrieb. Nachdem nämlich die Film-Premiere am 25. Juli 1924 in Wien erfolgte, begleiteten Störaktionen die Aufführungen: Nationalsozialisten warfen Stinkbomben in die Kinosäle. In Linz wurde die Aufführung sogar verboten, Hugo Bettauer schließlich ermordet, und Otto Rothstock, der Mörder, wurde als Held gefeiert. Karl Kraus schrieb in der Fackel 697 (1925): "Als Hugo Bettauer ermordet wurde, war nicht der Mörder schuld, sondern die Verderbtheit. Und als kürzlich im Gefolge von Hakenkreuzler-Exzessen eine Bluttat die Gemüter erregte, war er des Erfolgs, daß die unpolitische Tat eines Strolchs der Sozialdemokratie aufs Kerbholz gesetzt würde, so sicher, daß er abwiegeln konnte, und behutsam, betulich, bechowed und betamt, als wäre er der Großvater des alten Biach, begann er den Leitartikel mit den inhaltsschweren Worten: Wir möchten nicht übertreiben."

Kulturelles Erbe und wertvolles zeitgeschichtliches Dokument

Informationen zum Filminhalt kann man in Korso nachlesen bzw. auf der Crowdfunding-Plattform wemakeit. Dort kann auch jede/r zur Rettung des Filmes beitragen, denn die Sache ist nämlich die: Während die Republik Österreich zwar zig Milliarden Euro fürs #bankenretten investiert, ist eine Investition ins #filmretten (75.500 Euro) offenbar zu viel des Geldes, obwohl genauso notwendig, da es sich hier, wie eingangs erwähnt, um ein kulturelles Erbe handelt. Ein wertvolles zeitgeschichtliches Dokument, das zu einer braunen Soße verkommt, wenn es nicht rechtzeitig restauriert und konserviert werden kann.

Die utopische Satire wich einer grausamen Wirklichkeit

Die Besonderheit des Films und der Literaturvorlage ist, dass die utopische Satire einer grausamen Wirklichkeit wich. "Als ich 'Die Stadt ohne Juden' zum ersten Mal 1947 las", schrieb Hellmut Andics in "Die Juden in Wien" (Kremayr & Scheriau; 1988), "mußte ich an den alten Herrn denken, mit dem ich bei Kriegsende im selben Wiener Haus gewohnt hatte. Ein Bankangestellter in Pension. Bis zum 11. März 1938 sagten die Leute rundum 'Herr Direktor' zu ihm. Vom 12. März an war er nur noch der Jud aus dem Mezzanin." Aber bereits der Alltag im Wien der 1920er Jahre war von zunehmender Unversöhnlichkeit der parteipolitischen Lager beherrscht, wie man bei Hugo Portisch in "Österreich I - Die unterschätzte Republik" (Kremayr & Scheriau; 1989) nachlesen kann: "Die politische Radikalisierung findet in der Studentenschaft, aber auch in Teilen der Professorenschaft eine besondere Ausformung. Die Ursachen liegen in der von vielen Studenten geteilten Auffassung, sie würden nach Abschluß ihres Studiums keinen ihrer Ausbildung entsprechenden Posten erhalten und bald dem wachsenden Heer arbeitsloser Intellektueller angehören." Dazu beigetragen haben die radikalen Sparmaßnahmen der Regierung, die große Zahl von Finanz- und Wirtschaftsskandalen "und in deren Gefolge", wie Hugo Portisch weiter ausführt, "der Zusammenbruch so vieler Banken und wirtschaftlichen Unternehmungen." Die Folgen waren verheerend: "Auf Bundeskanzler Seipel wird geschossen und der Kanzler durch zwei Revolverkugeln erheblich verletzt, der Schriftsteller Hugo Bettauer wird ermordet, der eine Attentäter bekennt sich als Sozialdemokrat, der andere als Nationalsozialist. Auf dem Praterstern wird ein Nationalsozialist von Schutzbündlern erschlagen, auf dem Land draußen wird einmal ein Schutzbundführer, dann ein Heimwehrmann, ein 'deutscher Turner' oder sonst ein Organisierter von jeweils der anderen politischen Gruppierung angegriffen und schwer verletzt. In fast jeder Zeitungsausgabe kann man Meldungen dieser Art lesen." Jeder gegen Jeden und der Antisemitismus wuchs und gedieh.

Stadt ohne Ausländer

Im Film gibt es Szenen, die - leider! - auch in den tagesaktuellen Kontext gestellt werden können. Man könnte Szenen aus "Die Stadt ohne Juden" in einer Nachrichtensendung über einen Beitrag von Flüchtlingen unterlegen. Dass es keine Originalszenen zum Beitrag sind, fiele nur dadurch auf, dass "Die Stadt ohne Juden" zeitlich bedingt in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Selbst wenn man all diese politischen Gedanken zum Film beiseite schiebt, und auch die Tatsache, dass dieser Film als erster in der Filmgeschichte den Antisemitismus thematisierte, selbst dann gibt es noch einen weiteren, triftigen und aus österreichischer Sicht filmhistorischen Grund, den Film retten zu müssen. Der bekannte Wiener Schauspieler Hans Moser (eigentlich Johann Julier; * 6.8.1880; † 19.6.1964) ist hier nämlich in seiner ältesten Filmrolle zu sehen. //

"Der Roman "Die Stadt ohne Juden" von Hugo Bettauer ist zurzeit nicht im Buchhandel erhältlich.

Text: Manfred Horak

Fotos: Filmstill aus "Die Stadt ohne Juden"