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the-road-01Die Gewissheit des Todes ist es nicht, die diesen Film so schrecklich macht. Sterben wird jeder. Dass man dies aber sicher nicht eines natürlichen Todes, sondern gar bestimmt eines qualvollen tun wird, macht "The Road" zu einem Horrorfilm.




Apokalyptische Szenarien sind wahrlich kein Novum im Kino. Auf der Leinwand regnete es schon haufenweise Kometen, invadierten ungezählt Außerirdische oder barst zuletzt die Erdoberfläche und richtete somit (beinahe) alles Leben zugrunde. Immer hieß es bei diesen Konstellationen: Menschheit gegen Feind von außen oder gegen die Natur. Dieser Kampf schweißte die Erdbevölkerung oft zusammen und wenn doch gestorben werden musste, so relativ schnell und in dem guten Glauben, dass es einige überleben werden.

Apocalypse Now - and the next few months...

In der filmischen Adaption von Cormac McCarthys "The Road" schaut die Welt buchstäblich anders aus. Wohl durch ebenfalls einen Meteoritenaufschlag (der Film deutet das nur an) verstaubt die Atmosphäre, infolge dessen sterben alle Pflanzen und Tiere, was natürlich auch die Lebensgrundlage für die Menschen vernichtet. Wer überleben will, sucht nach Konserven und freut sich über Krümel - oder er isst andere Menschen. Die Überlebenden sind also nicht nur Futterkonkurrenten, sie teilen sich in Beute und Jäger. Allein das Vokabular macht die eigentliche Misere klar: Menschen werden zu Tieren. Sie verrohen, verwildern, jagen in Rudeln. 'Fressen oder gefressen werden' lautet die Devise und gilt als Rechtfertigung für das animalische Verhalten. Im Fokus der Erzählung sind zwei Exemplare der "Guten": Ein Vater mit seinem Sohn, hin- und hergerissen zwischen Überlebenswille und Lebensmüdigkeit, Trieb und Vernunft. Vernünftig wäre es nämlich, sich mit den verbliebenen beiden Patronen im Revolver das Leben zu nehmen und sich die Qualen ohne Sinn zu ersparen. Denn sinnlos scheint alles Streben in der Tat. Anders als in den herkömmlichen Katastrophenkonzepten, gibt es hier keine auch noch so kleine Aussicht auf Überleben, kein Zufluchtsort, keine Hoffnung auf bessere Zeiten, nur die Sicherheit, dass es täglich kälter wird und die Nahrung immer knapper. Selbst wenn man der einzige Mensch auf dem Planeten wäre und sich vor Kannibalen nicht zu fürchten brauchte - eine Kugel in den Mund ist in dieser Welt verlockender als ein über Wochen sich ziehender Hungertod. Soweit die Theorie. Den Sohn kann der Vater nicht erschießen, sich selbst auch nicht, da er seinen Buben alleine zurückließe. So sind beide zum langsamen Tod verdammt.

Gruselfilm der anderen Art

Was den beiden auf ihrem Weg begegnet, ist zutiefst unmenschlich. Aber was heißt das überhaupt, 'unmenschlich'? Zwar wollen die beiden keine Menschen essen, doch helfen mag der Vater anderen einsam Umherziehenden auch nicht. Das oft verwendete Qualitätssiegel "Wir sind die Guten" beschönigt ihr Verhalten. Wer kann aber verübeln, in einer solchen Notlage egoistisch zu handeln? Hier rüttelt man am moralischen Fundament einer jeden postanarchistischen, sozialen Welt und stellt sie auf die Probe. Auch wenn der Film wenige explizit fürchterliche Szenen zeigt, so obsiegt doch das Grauen, und Horror beschleicht einen, der nicht so schnell wieder nachlässt. Trostlosigkeit stellt sich ein und der Film macht beinahe keine Anstrengungen, den typischen Bogen zu kreieren, der nach dem Schlittern in die Katastrophe das finale Entgehen absehbar macht. Der deus ex machina hat ausnahmsweise kein Vetorecht. Die Idee ist großartig, die Umsetzung auch. Sollte in eine Bewertung der Gefallensaspekt einfließen, so ist dieser Streifen wenig wert. Er ist schockierend und macht Angst. Wer das Gedankenspiel gerne ausgeführt sieht, ist goldrichtig. (Peter Baumgarten)

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Film-Tipp:
The Road
Bewertung: @@@@@
Regie: John Hillcoat
USA 2009, ca. 108 Minuten
Altersfreigabe: Ab 16 Jahren
Mit: Viggo Mortensen, Charlize Theron, Kodi Smit-McPhee, Robert Duvall, Guy Pearce
Verleih: Constantin Film (2010)
Kinostart in Österreich: 25.12.2010 im Stadtkino Wien