Gutherziger Lebensüberdruss und stilistische Brooklyndekadenz.
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Mit: „Sie sind entlassen, Chianski“, stellt uns Bent Hamer, Henry, das Alterego Charles Bukowskis und Faktotum (Mädchen für alles), vor. Ein langzeitarbeitsloser, alkoholsüchtiger und nach Nymphen Suchender und natürlich: gescheiteter(!), Schriftsteller.
Was passiert? Nun. Leider und glücklicherweise, nicht viel.
Von Mal zu Mal werden Jobs, Frauen, Wohnungen und Notizhefte gewechselt. Mit gutherzigem Lebensüberdruss und stilistischer Brooklyndekadenz. Das ist alles. Mehr passiert nicht. So wie Alice es dazumal hinter dem Spiegel erfuhr, so ergeht es uns jetzt im verdreckten Kneipenviertel: „Hier muss man so schnell rennen wie man kann, um auf derselben Stelle zu bleiben.*“
Zweckexistentialismus in Rein(„wein“)kultur
Bent Hamer eilt mit einem vortrefflichen Montagestil und Musikgeschmack durch die Aborte des Großstadtpoeten. Verbannt durch die Yuppie- und Vorstadtgesellschaft. Kein Wunder, dass Henry nichts anderes übrig bleibt, als seinen eigenen Verfall zu illustrieren. Denn die wichtigen Lebensfragen verblassen neben dem Problem: wie man zur nächsten Kippe kommt. Kurzum, Zweckexistentialismus in Rein(„wein“)kultur.
Manierzitate von Jim Jarmusch bis Gus Van Sant
Mit am Board ist Jim Stark. Und zwar gleich in doppelter Funktion. Als Produzent & Drehbuchautor. Mr. Stark ist niemand geringerer als der Produzent der geläufigsten Jim Jarmusch Filme. An diesen und ebenso an Gus Van Sant, muss man oft denken, wenn man mit Chianski durch die Straßen zieht. Wie der Zufall so will, wird Henry durch Matt Dillon verkörpert, dem Star aus „Drugstore Cowboy“ und „To Die For“ (Beides unter der Regie von Gus Van Sant). Seine Filmpartnerin, gespielt von Lili Taylor (Jan), glänzt durch diese Liaison. Auch sie hat mit namhaften Regisseuren, angefangen bei Robert Altman (Short Cuts), über John Waters (Pecker), bis hin zu Ron Howard (Ransom), qualitätstreu zusammengearbeitet.
Warum Amerika?
Man fragt sich natürlich, wenn man Hamers letzte Arbeit gesehen hat, warum der Sinneswechsel, warum eigentlich die Staaten, wenn Schweden doch so schön war?
Die Frage ist insofern berechtigt, weil ihm mit den „Küchengeschichten“ ein Kronjuwel des Independentkinos gelungen war, der sich kaum mit anderen Filmen vergleichen ließ. Jedoch belegt er mit dem neuen Werk, dass sein Humor universeller, sowie sein Inszenierungsspektrum umfangreicher ist, als man es erwartet hätte. Der Schritt Richtung Mainstreamkino wäre somit getan.
Für den Cineasten mag „Factotum“ ein wenig abgestanden riechen; man spürt deutlich das Odeur des New Hollywood. Aber auf den Spuren eines jungen Gus Van Sants und dem Gekritzel Bukowskis kann man keinen großen Fehler machen. Die Kinos haben solche Filme, vor allem in dieser potenzierten Qualität, noch nicht oft genug projiziert. (Patryk Dawid Chlastawa)
*) Lewis Carroll; Alice hinter den Spiegeln
Filminfos:
(Norwegen/Deutschland/USA 2005)
FILMLADEN Filmverleih
Regie: Bent Hamer
Mit: Matt Dillon; Lili Taylor; u.a.
www.factotum-film.de