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Geahnt haben wir es schon immer, aber jetzt hat Jim Jarmusch eine wunderschöne Studie darüber geschaffen. Sexuelle Freiheit hat bei Frauen und Männern unterschiedliche Auswirkungen, denn: Sie weiß, ob und wie viele Kinder sie hat. Er nicht.
 

Hat er, oder hat er nicht?

broken_flowers_jim_jarmuschBroken Flowers ist ein kriminalistisches Roadmovie der leisen Art. Er erzählt die Geschichte eines gealterten "Don Juan", gespielt von Bill Murray - staubtrocken bis ausdruckslos von Anfang bis Ende - der sich plötzlich mit einer ganzen Generation konfrontiert sieht, die von ihm sein könnte.

Don Johnston ist ein Held der Frauen, da er nicht nur die Details ihres weiblichen Körpers zu schätzen weiß - egal, wo und wann er sie erblickt - sondern er überreicht ihr auch zielsicher jene Sorte Blumen, die der Beschenkten das Gefühl geben, wirklich persönlich gemeint zu sein. Dieser wortkarge Kenner des weiblichen Geschmacks wird gleich zu Beginn des Films von seiner jungen Geliebten - July Delpy, sexy, trotz rosa Chanel-Kostüm - weil ohne Trauschein und ohne Kinder, enttäuscht verlassen. Im selben Moment kündigt ihm ein geheimnisvoller Brief die Ankunft seines 20-jährigen Sohnes an, von dessen Existenz er bis zu diesem Zeitpunkt gar nichts wusste.
Sein äthiopischer Nachbar - wunderbar verkörpert von Jeffrey Wright, Vater unüberschaubar vieler Kinder, und dessen Ehefrau, sind die einzigen Sozialkontakte, die unser Held noch zu haben scheint. Winston, der hilfsbedürftige und gleichzeitig hilfsbereite Nachbar, ist das Gegenstück zu unserem Frauenhelden: er ist ein Kenner des Mannes. Einer, der es versteht männliche Gleichgültigkeit und Ablehnung zu lesen, und der hört, was von ihm nie gesagt wurde.
Als Hobby-Kriminalist beauftragt er seinen Freund, die Verfasserin des anonymen Briefs, ergo die Mutter seines Kindes, aus der Reihe der in Frage kommenden Geliebten, die er ca. neun Monate vor der Zeit der vermeintlichen Geburt beglückt hatte, zu überführen.

Die Reise in die Welt der Veränderungen beginnt

broken_flowers_alexis_dziena_sharon_stonebroken_flowers_bill_murray_jessica_langebroken_flowers_bill_murray_julie_delpybroken_flowers_bill_murray_tilda_swintonWir erleben vier Frauen in ihren momentanen Lebensumständen, und dürfen nur erahnen wie sie wohl früher einmal waren. Denn die Begegnungen finden alle aus der begrenzten Perspektive ihres damaligen Liebhabers statt. Jede der Frauen lässt die Vorstellung zu aufregende Nächte mit unserem Helden verbracht zu haben. Sonst erfahren wir nichts über sie.Daher um so interessanter die Besetzung, denn es ist Sharon Stone, die konfrontiert ist mit ihrer selbst geschaffenen Konkurrenz und Frances Conroy, die gefangen in ihrem neuen Lebensstil sitzt. Jessica Lange ist die für Männer nicht mehr verfügbare Anwältin der "Sprachlosen" und Tilda Swinton lebt mit ihrer Gang im Hinterland und darf so schön sein wie nie.Die Situationen werden nüchtern beobachtet, unkommentiert stehen gelassen, dokumentiert. Die Kameraführung von Frederick Elmes ist großartig, weil schlicht, geradlinig, einfach. Allein die Machart des Films und die Wahl des Filmmaterials, erinnert an die gute alte Zeit der Independent-Szene. Eine Kamera fährt durch eine Straße an Häusern vorbei, lange Einstellungen - ohne "Action". Die Mittel sind alt, einfach und effektiv.

Das kann einer Frau nie passieren

In kurzen traumhaften Erinnerungen an das persönliche "Gerade-eben" unseres Don Juans wird man an Trash-Filme der 1960er Jahre erinnert und damit an wilde Freizügigkeiten, die heute gar nicht mehr stattfinden. Für einen kurzen Augenblick dürfen wir assoziieren, wie Don Johnston die Welt betrachtet - ganz nach seiner Lebensphilosophie "wichtig ist nur das Hier und Jetzt" - wenn allerdings plötzlich jedes ca. 20-jährige Wesen in deiner Umgebung dein eigenes Fleisch und Blut sein könnte. Das bezaubernde Mädchen aus dem Blumenladen, das dich zärtlich verarztet, vielleicht deine Tochter ist, die du noch nie gesehen, geschweige denn in all ihren Altersphasen erleben durftest, da kann sich deine Welt schon mal um 360° zu drehen beginnen.
Das kann einer Frau einfach nie passieren. (Stephanie Lang; 2005)

Filminfos:
Im Verleih von TOBIS Film

Länge: 106 Minuten
Regie: Jim Jarmusch
Kamera: Frederick Elmes
Schnitt: Jay Rabinowitz
Produzent: Jon Kilk, Stacey Smith
Produktionsdesign: Mark Friedberg

Darsteller:
Bill Murray
Jeffrey Wright
Sharon Stone
Frances Conroy
Jessica Lange
Tilda Swinton
Julie Delpy