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Warum ist die große Liebe so felsenfest mit dem Verlust gekoppelt?! Muss das so sein, oder ist der Rückzug in die Welt der Mythen nur ein hilfloser Versuch, unsere am wirklichen Leben gescheiterten, emotional verkümmerten Seelen zu retten?! Von Stephanie Lang.
Traurig aber wahr, die Erscheinungen der romantischen Vorstellungen des Liebestodes leben wieder auf
Das mag pathetisch klingen, doch genau das ist das Thema dieses Films: Pathos als Ergebnis unseres Unvermögens zu spontaner weltlicher Leidenschaft. Gefangen in einer bis ins kleinste Detail perfekt durchorganisierten Umwelt, die uns scheinbar das Leben erleichtert und verschönt, vermissen wir plötzlich die großen Gefühle unserer ganz persönlichen Erfüllung. Das öffnet den Weg in die Realitätsflucht bis in den physischen Tod und dessen strahlende Verklärung.
Vom Suchen und Finden der Liebe ist der Titel des neuen Films von Helmut Dietl, der seit dem 27. Jänner in unseren Kinos läuft. Er handelt von zwei sehr unterschiedlichen deutschen Paaren. Auf der einen Seite die romantische "Liebe auf den ersten Blick" im streitbarem Zusammenleben und -arbeiten ohne Trauschein. Auf der anderen Seite die erfolgsorientierte Ehe mit Kind und Ferienanwesen in Griechenland, als blank geputztes Horrorszenario nicht mehr stattfindenden Liebeslebens. Beide Paare scheitern, beide finden sich in einem neuen funktionierenden Arrangement wieder: die Einen in der Begegnung nach dem Tod und ihrer Bestätigung der emotionalen Treue zueinander, die anderen in der offiziellen Freigabe des Absolutheitsanspruchs auf den anderen, nach dem Motto: verlässt du mich, hab ich wieder Lust auf dich.
In einem Interview mit den beiden Hauptdarstellern, Moritz Bleibtreu und die für ihre Rolle in "Der Untergang" Oscarnominierte Alexandra Maria Lara, stellte sich heraus, dass beide Darsteller an zwei bis vielleicht maximal drei "große Lieben" im Leben, glauben. "Liebe braucht ja viel Zeit, und wirkt lange nach. Ein Jahr zusammen sein, bedeutet noch keine große Liebe", meint Moritz Bleibtreu. "Und da das Leben ja nicht soo lang ist, gibt es für mehr gar keinen Platz." Auf die Frage, ob es für sie ein Problem war mit einem dreimal geschiedenen Regisseur eine große Liebesgeschichte zu drehen, antworteten Beide, dass es absurd wäre, zu sagen, nur weil jemand geschieden ist, hätte er kein Recht über dieses Thema etwas zu sagen. Im Gegenteil, "er konnte seine Erfahrung nicht nur durch seine sprachliche Genauigkeit und seinen Humor vermitteln, sondern wollte auch sonst alles genau so, wie wir es im Film sehen können", so Alexandra Maria Lara.
Das ist auch genau der Eindruck, den der Film hinterlässt: nichts bleibt dem Zufall überlassen, es gibt keine Sekunde die nicht geplant und bestimmt ist. Die Bilder sind klinisch, akribisch, theatralisch, perfekt.
Die Oper lebt, wenn der Schlager bebt
Bei jedem Schlager, der von Venus Morgenstern, "der temperamentvolleren Version von Frl. Lara", gesungen wird, fließt eine Träne. Zu jeder entscheidenden Szene des Films läuft die Musik der großen Arien Puccinis Liebesheldinnen - von Tosca über La Boheme zu Madame Butterfly. Übrigens lauter unverheiratete, verlassene, bekämpfte Frauen, die keinen anderen Ausweg sehen, ihrer Liebe treu zu bleiben, als zu Sterben. Was für ein lebensfeindliches Bild vom Glück? Schaurig schön, wie die Oper?!
Ganz generell war es nicht einfach diesen etwas temperamentlosen deutschen Perfektionismus zu ertragen, den allerdings Moritz Bleibtreu, Anke Engelke und vor allem Uwe Ochsenknecht, wunderbar mit ihrer ungekünstelten herzlichen Tiefe, die auch mal eine Schusseligkeit erlaubt, auflockern konnten. Nur wer ist jetzt ein Zyniker?! Derjenige, der die geisterhafte Begegnung eines Selbstmörders mit seiner gealterten damaligen großen Liebe, für die er sich umgebracht hat, als Happy End bezeichnet - "da sie sich an etwas Einzigartiges, Romantisches 'erinnern' können?!" Oder diejenige, die es nicht erträgt, dass die Figuren es nicht geschafft haben, dafür zu kämpfen sich selbst treu zu bleiben, um so ein glückliches und aufregendes Zusammenleben miteinander zu genießen - trotz ihrer Unterschiedlichkeit!? Denn, nur wer seine Eigenarten behält, seinen Perfektionismus sich selbst gegenüber treu zu sein bewahrt, bleibt unberechenbar und damit spannend für den anderen - ein Leben lang. Schade, dass das so wenige Romantiker begreifen. (Stephanie Lang; 2005)
Mit einem Klick zum Interview mit Moritz Bleibtreu und Alexandra Maria Lara
Im Verleih von Constantin Film
Länge: 107 Minuten
Regie: Helmut Dietl
Drehbuch: Helmut Dietl und Patrick Süskind
Kamera: Jürgen Jürges
Schnitt: Inez Regnier und Frank Müller
Musik:Dario Farina
Darsteller:
Moritz Bleibtreu
Alexandra Maria Lara
Uwe Ochsenknecht
Anke Engelke
Heino Ferch
Justus von Dohnányi
Marily Milia
Richard Beek
Harald Schmidt