Von New York nach Memphis und Nevada lässt der Regisseur Wong Kar-Wai die Sängerin und Schauspiel-Debütantin Norah Jones fahren und liefert dazu malerische, farbkräftige Bilder.
Als Elizabeth (Norah Jones) von ihrem gebrochenen Herzen in das Cafe von Jeremy (Jude Law) geführt wird, ahnt sie noch nicht, dass er von nun an ihr Vertrauter und Zuhörer werden wird. Mit dem nach Ladenschluss stets übrigbleibenden Blaubeerkuchen tröstet er sie und versucht ihr klarzumachen, dass weder der leckere Kuchen noch die nicht minder leckere Elizabeth Schuld daran haben, dass sie grundlos verschmäht werden. Immer besser lernen sich die beiden kennen, immer näher kommen sie sich, und Jeremy beginnt sich in Elizabeth zu verlieben. Noch bewegt sich ihre Beziehung auf platonischer Ebene, da beide zu wissen scheinen, dass Elizabeth ihre schmerzhafte Beziehung erst verarbeiten muss, ehe sie jemand anderen in ihr Leben lassen kann. Eines Tages bricht sie auf, um durch Amerika zu reisen und sich von den Geistern der Vergangenheit zu befreien. Elizabeth tingelt durch die Staaten, arbeitet als Kellnerin und findet sich plötzlich in der umgekehrten Situation wieder: Von der Person, die Heilung bei einem Fremden suchte wird sie zur Zuhörerin und begegnet so mancher menschlichen Tragödie: Dem unglücklichen Trinkerpärchen Arnie (David Strathairn) und Sue Lynne (Rachel Weisz) sowie der Glücksspielerin Leslie (Natalie Portman).
Geraffte Sequenzen und langsame Aufnahmen
Von New York nach Memphis und Nevada lässt der Regisseur Wong Kar-Wai – der selbst auf den Spuren der Fotografen Robert Frank und William Eggleston das Land auf Drehortsuche bereiste – Norah Jones fahren, und liefert dazu seine seit In the Mood for Love (2000) bekannten malerischen, farbkräftigen Bilder. Seine gerafften Sequenzen und die langsamen Aufnahmen, die nur einen kurzen Blick oder ein Gefühl einfangen sollen, ziehen sich auch durch diesen Film. Die Stimmungen der Orte werden unterstützt von der Musik, die, wie in allen Filmen Wong Kar-Wais, einen zentralen Stellenwert einnimmt. So unterlegt er die Bilder von der Bar in Tennessee – Memphis, der Stadt des Blues – immer wieder mit dem grandiosen Otis Redding, und die von New York mit den Stimmen von Norah Jones und Cat Power, die beide in My Blueberry Nights ihr Filmdebüt absolvieren. Abgesehen von der mangelhaften darstellerischen Leistung lässt auch das Drehbuch von Lawrence Block so manches zu wünschen übrig. So ergeht sich Wong Kar-Wais erster in Amerika gedrehter Film in so mancher Plattitüde, die sich wie eine Blaubeerspur durch den Film ziehen; ihn nicht süßer machen, sondern regelrecht verkleben. Das große Thema des Films ist der notwendige Umweg Elizabeths, um sich dem Neuen öffnen zu können. Neben dem übergeordneten Motiv der Liebe, dem sich der Regisseur ganz und gar verschrieben hat, ist "My Blueberry Nights" ein Film über die zwischenmenschliche Distanz, die sich in seinen Figuren spiegelt. |
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Kein Klischee wird ausgelassen
So kreisen die einzelnen Charaktere um die unüberbrückbare Stelle, die zwischen dem "Ich" und dem "Du"liegt, und die ein "Wir" zu einer seltsamen Utopie verschwimmen lässt. Die Botschaft des Films wird aber viel zu offensichtlich propagiert; kein Klischee wird ausgelassen. Bedeutungsschwangere Dialogzeilen werden von abgelutschten Metaphern regelmäßig abgelöst. Höhepunkt des sentimentalen Germteigs sind die vergessenen Schlüssel, die Jeremy in seinem Cafe aufbewahrt, damit er die Türen dieser Menschen nicht für immer verschlossen hält. Die daraus resultierenden lähmenden Fragen über "doors" und "keys" (Kann man Türen wieder aufmachen, wenn sie einmal zu sind? Und ist jemand hinter der Türe? Wartet dort jemand auf einen oder ist das Zimmer leer?) werden bis zum bitteren Ende ausgereizt.
In Ästhetik gescheitert
Wong Kar-Wai ist zweifelsohne ein großer Romantiker und ein noch größerer Ästhetiker. Er trommelt für seinen Film die schönsten dunkelhaarigen Frauen Hollywoods zusammen und lässt wunderbar komponierte Bilder über die Leinwand laufen. Jedoch verkommt sein Hang zum Perfekten zu einem Überästhetizismus, den die schwachen Dialogzeilen nicht retten können. Die angetretene Reise mit ihren übertriebenen Charakteren, in der Elizabeth nur auf zwei Schicksale trifft, hätte noch erheblich ausgebaut werden können. Die hohe Moral, die hinter ihrem Trip steckt, ist voraussichtlich und plakativ. Filmerisch bietet "My Blueberry Nights" wenig Neues, und der Zuseher sieht sich gezwungen, den Film unter dem Eindruck seiner letzten Werke zu sehen. Ähnlich wie bei 2046 (2004), schafft es Wong Kar-Wai leider auch in diesem Film nicht, sein Meisterwerk "In the Mood for Love" zu überwinden. (Julia Zarbach)
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Film-Tipp:
My Blueberry Nights
Bewertung: @@@
Regie: Wong Kar-Wai
Darsteller: Norah Jones, Jude Law, Natalie Portman, Rachel Weisz, David Strathairn, Cat Power
Verleih in Österreich: polyfilm
Kinostart: 8. Februar 2008