Jon Fosses Stück "Der Name" erzählt von einem Familientreffen: Ein hochschwangeres Mädchen kehrt mit Kindesvater erstmals ins Elternhaus zurück – doch anstatt großer Emotionen geschieht nichts.
Der Name Theaterkritik
Die Ereignislosigkeit soll die Essenz des Stücks darstellen. Regisseur Kay Voges bringt diese Einfachheit auf die Bühne. Doch essentiell passiert nichts. Es ist, was es ist: nicht viel. Nun ist dies keine Überraschung, sondern Ankündigung. Der Ausgangspunkt des Stückes, würde viel Stoff bieten, vor allem im Gegenwartsbezug: Wenn Kinder Kinder kriegen in einer Zeit, in der Männer mit dem Stiefel noch auf dem Nacken der Frauen stehen. Doch das Stück verweigert sich dieser Auseinandersetzung. Die Spannungsverhältnisse der Figuren sind etabliert, diese jedoch nicht. Als bereits nach wenigen Momenten die schwangere Hauptfigur hysterisch kreischt: "ICH HALTE ES HIER NICHT AUS!", beginnt das Bannen auf Erlösung. Die Frau hinkt und humpelt; warum wir Schwangerschaft 2025 als Krankheit darstellen müssen wird uns nicht erklärt. Soll die platte Symbolik und statt differenzierte Darstellung als distinktes Stilmittel dienen? Handelt es sich um eine Hommage an Twin Peaks? Ein kritischer Blick auf bestehende Machtverhältnisse bleibt aus – übrig bleibt ein Klischee, das seine eigene Überholtheit nicht reflektiert. Es ist was es ist: nicht viel.
Aquarium der Leblosigkeit
Die Bühnenbildgestaltung lässt zunächst auf eine tiefere Ebene hoffen: ein 70er-Jahre-Quader der Tristesse, ein Puppenhausraum mit Möbelstücken so identitätslos wie die Menschen darin. Ein Querschnitt eines ordinäres, vergangenen Lebens, auf den das Publikum wie auf ein Aquarium der Leblosigkeit blickt. Ein bisschen wie vor der Glotze sitzen. Danach folgt im scheinbar zweidimensionalen Raum der Auftritt von eindimensionalen Figuren. Die Zuschauer:innen werden in eine Apathie entsandt und der erste visuelle Reiz ist bald verflogen. Jon Fosse mag als "Magier der Stille" gelten und wurde gerade deswegen mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Doch für das Publikum ist die Ereignislosigkeit der Inszenierung von "Der Name" nicht gerade meditativ. Dafür sind die Wiederholungen zu ermüdend und die Anzahl der Saal verlassenden Besucher:innen zu eindeutig. Obwohl das Thema der verfehlten Kommunikation im Zentrum steht, so ist der Dialog nicht mehr als flach und schwülstig und reicht dennoch für keine Parodie. Nach 105 Minuten verstummt der Applaus schnell, die Darsteller:innen wirken selbst etwas erlöst aus der Monotonie. Nicht viel ist gerade zu wenig.
Es bleibt nur Leere
Auch wenn die Einfachheit des Stücks "unendlichen Raum für Gedanken" öffnen soll, so muss man tief in der Imaginationskiste kramen, um Bedeutung zu generieren. Natürlich macht man so Wege aus, der Inszenierung künstlerischen Mehrwert anzurechnen. Letzten Endes findet man sich aber im dramaturgischen Vakuum. Das Stück will Raum für Gedanken schaffen, doch wo keine Anstöße gesetzt werden, bleibt nur Leere. Einem simplizistischem Zugang ist als Stilmittel durchaus viel abzugewinnen, doch muss man sich wirklich fragen: warum so? Warum müssen wir uns wieder Frauenfiguren ansehen, die nicht mehr als schwanger, hysterisch und psychotisch sind, unterdrückt von Männern, die gewalttätig, einfältig und misogyn sind? Warum müssen wir uns abermals ansehen, woraus wir uns längst emanzipieren wollen? Dafür reicht doch eben vor der Glotze sitzen und Nachrichten schauen. Das banale Aufzeigen von Missständen ohne Impuls zur Kontemplation scheint in der Tiefe inadäquat für eine Zeit, in der die Welt brennt.
Im Namen der Kunst soll alles Platz haben
Die Leerstelle, die "Der Name" bietet, könnte eine Metaebene der Reflexion schaffen. Die Zumutung der Ödnis, der Stimulationsentzug. Das stille Aushalten einer unbequemen Wahrheit. Natürlich soll Kunst aufzeigen, aber es scheint dringlicher denn je, auch zu adressieren. Kunst soll Denkprozesse anstoßen, neue Räume eröffnen. Hier geschieht nichts davon. Weder ein Bruch mit Erwartungen, noch eine Figur mit irgendwelchen Identifikationsaspekten, noch ein Impuls zur Kontemplation. Selbst das kurzweilige Intermezzo, wirkt wie ein halbherziger Versuch, einen Gegenwartsbezug zu suggerieren. Im Namen der Kunst soll alles Platz haben, heute braucht es aber Anstöße, vor allem in einer Institution wie dem Volkstheater. Die Frage bleibt: Ist die Ereignislosigkeit wirklich ein Anstoß – oder einfach nur Stillstand? //
Text: Greta Maria Kogler
Fotos: Marcel Urlaub
Kurz-Info:
Der Name
Volktheater Wien
Regie KAY VOGES
Bühne MICHAEL SIEBEROCK-SERAFIMOWITSCH
Dramaturgie ULF FRÖTZSCHNER
Weitere Spieltermine:
30.03.2025
09.04.2025
26.04.2025 SHOWDOWN (Letzte Aufführung)
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