dritte republik eine vermessung ist Teil 3 der kronlandsaga von Thomas Köck, auf die Bühne gebracht vom Ensemble für unpopuläre Freizeitgestaltung im Kulturhaus Dornbirn.
Gegen den Schneesturm ankämpfen, die ewig sich wiederholende Geschichte, Bilder von Flüchtenden, die Last des Rational-Binären, lästig gewordene, aber bereits eingegangene Verpflichtungen, schlussendlich die Grenzen des eigenen Seins. Das bietet dritte republik eine vermessung , Teil drei der kronlandsaga von Thomas Köck, dem vielfach prämierten oberösterreichischen Dramatiker.
Wo ist die Grenze
Angetrieben wird alles durch die Landvermesserin. Sie sucht an die Grenze zu gelangen, um neue zu ziehen und findet Begegnung. Der Kutscher, den sie unter Schweinen im Stall antrifft - Seinesgleichen und doch die Ausnahme? - erster Lichtblick im Schneesturm, soll ihr den Weg zeigen. Für den Pilot, der vom Krieg desertiert ist, ist jede Grenzziehung Grund für neuen Krieg. Verstrickt in die Ununterscheidbarkeit von Freund und Feind lässt er sich hängen, kann nicht weiterhelfen. Die Botin ist nur Überbringende und hat sowieso mit nichts etwas zu tun, läuft vor, nach und mit und wiederholt wie eine hängen gebliebene Schallplatte Phrasen der Unschuld. Die Patientin, die sich im Sanatorium auf full shape trainiert um slim-fit-tauglich zu sein, weiß, dass Grenzen zum Überschreiten da sind. Wen schert schon das Gesetz. Tu es für mich. Bussi. Bussi.
Grenzenlos
Endlich finden Vermesserin und Kutscher ein Gebäude, riesig mit endlosen Korridoren, Zimmern, Sälen. Dort wohnhaft der Reeder, Weltmeerbeherrscher, jederzeit bereit sich selbst auszulöschen, zum Platzen zu bringen, wie eine Spekulationsblase. Der Boy serviert internationale Cocktails und pathetische Poesie. Das Gebäude in Wahrheit ein Containerschiff namens Weltwirtschaft. Darauf ließen die Menschen sich treiben, dösten vor sich hin und als sie endlich aufwachten, befanden sie, dass sie sich zu weit vorgewagt haben in internationale Gewässer, kehrten zurück ins Traute, Heimelige, Nationale. Schlussendlich ist die Vermesserin wieder allein. Anfangs schlotternd im Schnee, treibt sie jetzt im Rettungsboot unter Sternenhimmel, ganz leicht ist ihr und warm.
Grenzüberschreitend
Wohin das alles führt, ist ungewiss. Das liegt wohl an uns. Woher es kommt ist sicher. Eine intelligente und atmosphärisch dichte Verwebung von Elementen aus Kafkas Romanfragment "Das Schloss", Jim Jarmushs Film "Dead Man", mit Anklängen an Jörg Haiders Programm zur Gründung der dritten Republik geführt von einer starken (Männer-)Hand, Surrealismus, und wohl dosierten Musikkonserven z. B. von Neil Young.
Paralleles Weitertreiben der Handlung
Die Komposition Köcks in dritte republik eine vermessung umzusetzen gelingt Stephan Kasimir (Regie) und Caro Stark (Ausstattung), unterstützt von starkem Lichtdesign (Matthias Zuggal), effizient reduziertem Einsatz von Bühnentechnik, Freeze-Bildern und parallelem Weitertreiben der Handlung. Sehr präzise in der Artikulation und Darstellung Jeanne Marie Bertram (Landvermesserin) und Simone Loser (Botin, Boy), prägnant und charakterstark Maria Fliri (Pilot, Patient), Joachim Rathke (Reeder) und Jens Ole Schmieder (Kutscher).
Liegt die Lösung darin sich treiben zu lassen?
Der Homo sapiens kämpft immer noch und wieder gegen Naturgewalten. Außerhalb Europas auch gegen Seinesgleichen. Robert Menasse ruft gemeinsam mit Ulrike Guèrot die Europäische Republik aus, die Menschen eint und nicht Staaten integriert. Liegt die Lösung darin sich treiben zu lassen, in die unendliche Weite des Nachthimmels zu blicken, vielleicht zu träumen von anderen noch unberührten, eroberbaren Galaxien und Planeten? //
Text: Ruth Kanamüller
Fotos: UNPOP
Kurz-Infos:
dritte republik eine vermessung
Kritik zur Aufführung am 2.April 2021
Kulturhaus Dornbirn
Weitere Termine:
2.,3.,7.,8.,9. April 2021 (jeweils 18 Uhr)
Regie Stephan Kasimir
Ausstattung Caro Stark
Lichtdesign Matthias Zuggal
Produktionsleitung Lisa Weiss
Plakat Lena Seeberger
Darsteller*innen
Jeanne Marie Bertram, Maria Fliri, Simone Loser, Joachim Rathke, Jens Ole Schmieder