Die Salzburger Festspiele 2019 zeigt mit minimalistischer Ausstattung unter der Regie von Thomas Ostermeier Jugend ohne Gott von Ödön von Horváth.
Jugend ohne Gott und das Ringen mit der eigenen Courage
Aus der Gegenwart betrachtet, lässt sich leicht (ver)-urteilen. Was aber, wenn eine Existenz auf dem Spiel steht, etwa durch Job- und Pensionsverlust? Ödön von Horváths Lehrer in "Jugend ohne Gott" durchlebt eine Radikalkur. Der anfängliche Opportunist in der Romanadaption und Regie von Thomas Ostermeier, ringt mit seiner eigenen Courage. Auf karger Bühne - im Hintergrund ein trostloser Wald - steht Schauspieler Jörg Hartmann (bekannt als Tatort-Kommissar). Er könnte stellvertretend für "uns" stehen, bis er ein braunes Sakko aus den 1930er-Jahren anlegt. Er liest: "Was verdanke ich Adolf Hitler?" Fünf Millionen Menschen hätten wieder Beschäftigung. Bauten, Brücken, Kanäle, Autobahn, Flugplätze, Wehrmacht und seinen eigenen Arbeitsplatz, dankt der Schreiber im Jahr 1935 dem Führer.
Das Dilemma
Was tun, als Lehrer, wenn das Radio (im Hintergrund der knarzende Sound alter Volksempfänger) rassistische Aussagen legitimiert? Ein Schüler ergießt sich in rassistischen Stereotypen, der Zeit entsprechend. Horváth veröffentlichte den Roman 1937 im Exil. Der Lehrer korrigiert und tritt damit eine Lawine in Gang. Sabotage sei das am Vaterland! Ein Mordfall unter den Schülern, die zu militärischem Material herangezogen zunehmend verrohen, bringt den Lehrer selbst in die Bredouille.
Rasant wechselnde Krimi-Szenen
Thomas Ostermeiers Regie führt mit minimalistischer Ausstattung den Ich-Erzähler in "Jugend ohne Gott" durch rasant wechselnde Krimi-Szenen. Ein hereingerolltes Pult, ein Tisch, Bett, Zelt, Projektionen und Lichtwechsel reichen völlig aus. Ein achtköpfiges Ensemble schlüpft gewitzt in unzählige Rollen. Von Ödön von Horváth selbst sind Briefe überliefert, in welchen er sich dem Schriftstellerverband des Dritten Reichs andient. Aus diesem Zwiespalt heraus ist auch die Figur des Lehrers zu lesen. Zeigt dieser sich aufrichtig antifaschistisch, verliert er seinen Job. Schlussendlich muss er die umgekehrte Fluchtroute von heute auf sich nehmen: Der Pfarrer vermittelt ihm einen Job als Lehrer in Afrika.
Brachiale Zeitbezüge
Die Regie in "Jugend ohne Gott2 steht über brachialen Zeitbezügen, die ob der rechtspopulistischen Tendenzen - vornehmlich junger Männer im heutigen Europa - vielleicht naheliegen. Sie zeigt einen - zugegeben parabelhaft zugeschnittenen - Werdegang eines Protagonisten, der auch für Zeitgenossen genug Identifikation zulässt. Die weiteren - holzschnittartig geschnitzten Horváth'schen Figuren - sind, exzellent gespielt, Handlungstreiber im Pingpong-Spiel. Das Salzburger Festspiele Publikum würdigt das Stück zurecht mit großem Applaus. //
Text: Veronika Krenn
Fotos: SF/Arno Declair, Wildbild