Arturas Valudskis inszeniert "Der Kirschgarten" nach Tschechow im TAG amüsant kurzweilig, ohne Bäume dafür mit Tür.
Der Kirschgarten ohne Bäume
Alles was blüht, muss früher oder später vergehen. Bäume sterben, politische Systeme verändern sich, Menschen kommen und gehen. Generationen eines Geschlechts überschritten die Schwelle einer 300 Jahre alten Türe. Diese steht exemplarisch auf der Bühne des TAG (Theater an der Gumpendorfer Straße) für die Zeit der russischen Gutsherrschaft in Tschechows Bühnenklassiker "Der Kirschgarten". Abgesehen von einem Fenster und ein paar Sesseln das einzige Bühnenbild, das Regisseur Arturas Valudskis bei seiner Inszenierung zulässt. Dafür wirkt das Spiel der Schauspielerinnen und Schauspieler umso intensiver. Clowneske, körperbetonte Elemente (Karola Niederhuber als Gouvernante Charlotta) treffen auf politische Kampfansagen und devote Hingabe bis zum letzten Atemzug. Letztere Rollen werden beide gut gemeistert von Raphael Nicholas - der sowohl als ewiger Student Trofimow den Aufschwung der Arbeiter postuliert, selbst aber antriebslos bleibt - als auch als 87-jähriger Kammerdiener über die Bühne zuckelt. Firs, so der Name des Greises, ist ein Relikt aus der Zeit der Leibeigenschaft. Ein System, das die Familie Tschechows (sowohl Tschechows Großvater als auch Verwandte mütterlicherseits waren Leibeigene) noch erlebte.
Bäume als Symbol der Schönheit
Als Diener verbrachte Firs sein ganzes Leben im Dienst seiner Herrschaften. Doch die Zeit arbeitet gegen das System und damit die Gutsbesitzer. Die Erträge durch die Kirschplantage sind längst ausgeblieben. Für das Geschwisterpaar Gajew und Ljubow Ranjewskaja (Georg Schubert und Michaela Kaspar) sind die Bäume zum bloßen Symbol der Schönheit geworden. Verschuldet und von der kommenden Versteigerung ihres Anwesens bedroht sind sie trotz allem unfähig zu handeln. Den Vorschlag des Unternehmers Lopachin (packend Jens Claßen), der Kirschgarten sei abzuholzen um auf der Fläche Wohnungen für Sommerfrischler zu errichten, lehnen sie süffisant ab. Unfähig sich den veränderten Verhältnissen (der Zeit) zu stellen, hoffen sie auf eine Finanzspritze einer vermeintlich wohlhabenden Verwandten. Doch man ahnt es bereits: eine zum Scheitern verurteilte Hoffnung.
Welt im Umbruch
Gajew und Ranjewskaja, Firs, Trofimow - sie alle stehen exemplarisch für eine Welt im Umbruch: Der Untergang eines Standes, der Aufstieg der Arbeiterschaft und der tüchtige Geschäftsmann, der es sich zu richten weiß. In der jüngsten Tochter des Hauses Anja findet sich von allen ein bisschen etwas. Sie hat 17-jährig das Leben noch vor sich und scheint im Unterschied zu ihrer Mutter, die in der Vergangenheit schwelgt, mit Tatendrang ausgestattet. Und so kommt bis zum Ende beim Zuseher wenig Mitgefühl auf. Vermutlich auch weil Tschechow das Stück Der Kirschgarten als Komödie konzipierte. An dieser Zuschreibung des Autors lässt Valudskis trotz einiger Freiheiten nie auch nur den geringsten Zweifel. Das Ensemble spielt mit Witz und Feingefühl. Das alles unterhält. Mehr aber auch nicht. //
Text: Sandra Schäfer
Fotos: Georg Mayer
Der Artikel erschien erstmals auf Kulturfüchsin.
Der Kirschgarten
- Eine Komödie ohne Bäume
Bewertung: @@@
Von Arturas Valudskis
Frei nach "Der Kirschgarten" von Anton Tschechow
Mit Jens Claßen, Michaela Kaspar, Raphael Nicholas, Karola Niederhuber, Lisa Schrammel und Georg Schubert
Weitere Termine:
Fr 15., Sa 16., Di 19. und Mi 20. Februar 2019 sowie Fr 15., Sa 16., Mo 18. und Di 19. März 2019, 20.00 Uhr
TAG - Theater an der Gumpendorfer Straße
Gumpendorfer Straße 67
1060 Wien